Klimaschutz durch Öko-Mobilität: Kopenhagen will das Gelbe Trikot
Kopenhagen will die Hälfte der Einwohner aufs Rad bringen: Ziel ist es, die "die beste Fahrradstadt der Welt" zu werden, bis 2025 will man weltweit erste CO2-freie Hauptstadt sein.
STOCKHOLM taz | "ABC" hieß es in der vergangenen Woche für alle dänischen Schulkinder von der ersten bis zur zehnten Klasse. "Alle Børn Cykler", alle Kinder fahren eine Woche lang mit dem Rad zur Schule. Bei der jährlichen Kampagne können die Klassen mit den meisten teilnehmenden SchülerInnen Preise ergattern. Für das Tragen von Fahrradhelmen gibt es Extrapunkte und die gewinnende Klasse erhält nagelneue Fahrräder für alle. 130.000 hatten sich in diesem Jahr angemeldet, 40.000 mehr als im vergangenen Jahr.
War in Dörfern, Klein- und Mittelstädten die Beteiligung überwältigend, fiel ausgerechnet die Hauptstadt Kopenhagen aus dem Rahmen – die Stadt, die sich vorgenommen hat, bis 2015 "Umweltmetropole" zu sein und zur besten Fahrradstadt der Welt zu werden. Hier beteiligten sich gerade einmal 1.327 SchülerInnen an der Kampagne. Hier hat die Vorzeigestadt also noch einiges zu tun. Denn zum Plan "EcoMetropole – unsere Vision Kopenhagen 2015" gehört auch, dass bis dahin die Hälfte aller KopenhagenerInnen mit dem Rad zur Schule oder Arbeit fährt. Aktuell sind es 36 Prozent, vor zehn Jahren waren es allerdings erst 30 Prozent.
"Viele Schulen sind immer noch so ungünstig mit dem Fahrrad erreichbar, dass Eltern sich nicht trauen, ihren Kindern die Fahrt zu erlauben", glaubt Trine Junker Jørgensen vom dänischen Radlerverband Dansk Cyklist Forbund. Da seien die Stadtplaner gefordert: "Ein sicherer Schulweg ist natürlich die Grundvoraussetzung."
Der Autofreie Tag ist ein Aktionstag von Umweltgruppen, Verbänden und Kommunen, der in Europa jährlich am 22. September durchgeführt wird und im Rahmen der Europäischen Woche der Mobilität stattfindet. In den teilnehmenden Städten wird von diesem Datum jedoch häufig auf Wochenendtermine ausgewichen. In diesem Jahr beteiligen sich mehr als 1.600 Städte an der Mobility Week; über 100 Städte sind es in Österreich, Frankreich, Polen und Spanien. Deutschland liegt mit 41 Städten, zum Beispiel Würzburg und Chemnitz mit breitem Programm, im Mittelfeld. Ziel der Veranstaltungen ist, die Bürger zu überzeugen, öfter ihr Auto stehen zu lassen.
Die Bedenken der Eltern sind nicht unbegründet, denn die Hälfte aller im Kopenhagener Straßenverkehr ernsthaft Verletzten waren im letzten Jahr RadfahrerInnen. Mit breiteren Radwegen, "grünen" Routen, auf denen der Autoverkehr ausgesperrt ist, und Kampagnen für sichereren Verkehr wollen die Stadtplaner die Zahl der Unfallopfer nun bis 2015 halbieren.
Aber auch so legt schon heute jede Einwohnerin und jeder Einwohner im Schnitt 1,2 Kilometer täglich auf dem Rad zurück, das ist fast eine Verdoppelung innerhalb der letzten 15 Jahre. Ein Drittel radelt dabei mehr als 10 Kilometer zur Arbeit. Ihre Hauptargumente: Es gehe schnell, sei billig und gesund.
Um noch mehr Menschen auf den Sattel zu bringen, soll das Netz von Fahrradwegen ausgeweitet werden, neue Fahrrad- und Fußgängerbrücken sind geplant und auf Hauptverkehrsrouten sollen Radfahrer ihre eigene grüne Welle bekommen. Alle Maßnahmen zusammen sollen die Fahrzeiten stellenweise um bis zu zwölf Prozent mindern. Mehr Fahrradparkplätze sollen zu Lasten des Parkraums für Autos entstehen und eigene Fahrradparkhäuser gebaut werden.
Die – linke – Stadtregierung von Kopenhagen möchte eigentlich auch gern eine Straßenmaut einführen, um nach dem Vorbild Stockholms und Londons den Pkw-Individualverkehr zu verteuern. Doch bisher blockiert die Mitte-rechts-Regierung die Pläne mit einem deutlichen Nein.
Pro Kopf werden in Kopenhagen jährlich umgerechnet 20 Euro in die Förderung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs gesteckt. In Berlin sind es laut Zahlen des alternativen Verkehrsclubs Deutschland gerade einmal zwei Euro. Die Investitionen sind gut angelegt, meint man im Kopenhagener Rathaus. Bei 40 Prozent mehr ArbeitspendlerInnen auf dem Fahrrad sinken die klimaschädlichen CO2-Emissionen um jährlich 80.000 Tonnen. "Die weltbeste Fahrradstadt" ist nur ein Puzzleteil, das helfen soll, das ehrgeizige Ziel zu erreichen, das man sich gesetzt hat: Bis 2025 soll Kopenhagen die erste CO2-freie Hauptstadt der Welt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung