Klimakongress der Linkspartei: Rotes Herz und grüne Lunge
Die Führung bemüht sich um ein ökologisches Profil mit eigenem Konzept: Sie verknüpft den Umweltschutz mit der Systemfrage und redet über die Enteignung der Stromkonzerne.
HAMBURG taz Der Bekehrer ließ sich selbst bekehren. Vor ein paar Jahren, gibt Gregor Gysi zu Beginn des Kongresses zu, habe er sich mit "ökologischen Fragen wenig beschäftigt". Dann aber habe "der Wolfgang Methling das Umweltbewusstsein schrittweise in mich hineingetragen und mein Denken langsam geöffnet". Der Angesprochene, acht Jahre lang in Mecklenburg-Vorpommern der bislang einzige Umweltminister der PDS auf Länderebene, lächelt dazu. Dass neben dem Bundestagsfraktionschef Gysi auch der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine am Freitag nach Hamburg angereist ist, um die dreitägige "energiepolitische Konferenz" der Linken zu eröffnen, ist für ihn "eine Symbolik, auf die die Medien reagieren müssen".
Die Botschaft, die der Kongress "klima & energie - macht -arbeit", an dem über 200 Genossen teilnehmen, in die Öffentlichkeit tragen soll, ist: Die Partei, deren Herz links schlägt, hat ihre grüne Lunge entdeckt. Sie will nun auch auf diesem Politikfeld "voll konkurrenzfähig werden": Es geht um die Wähler, denen Umweltpolitik eine Herzenssache ist und denen die Grünen nicht mehr links genug sind.
"Bislang gab es ein freundliches Desinteresse gegenüber ökologischen Fragen", sagt Evelin Wittich, Geschäftsführerin der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Nun gelte es, "die Gleichrangigkeit von Ökologie und Ökonomie in unserer Partei zu verankern", sagt Methling.
Vize-Parteichefin Katja Kipping kennt die internen Widerstände: Die Linke sei bei der Verteilungsfrage einer Wachstumsideologie verhaftet, frage beim Kampf um Jobs nicht nach einer ökologisch sinnhaften Produktion und renne bei jedem Straßenprojekt der Mehrheitsmeinung hinterher, dass neue Verkehrsadern einen Aufschwung für die Region bedeuteten. "Der blinde Ruf nach mehr Arbeit bringt uns nicht weiter", so Kipping. "Mancher Arbeitsplatz muss aufgrund seiner schlechten Ökobilanz abgeschafft werden." Das trifft auf den Widerstand mancher Teilnehmer.
Die Linke will den Klimaschutz "mit der Systemfrage verknüpfen". "Die Grünen können nie eine ökologische Partei sein, weil sie nicht antikapitalistisch sind", gibt Gysi die Stoßrichtung vor. Der Kapitalismus könne "die ökologische Nachhaltigkeit nicht herstellen, weil es zu viele Widerstände der Konzerne" gebe.
So steht auf der Hamburger Klimakonferenz vor allem die Frage nach einer Enteignung der Stromkonzerne und die Rekommunalisierung der Energieversorgung im Vordergrund. Ein Argument dafür haben die in Hamburg Versammelten vor der Haustür, wo unter Regie der SPD die Hamburgischen Electricitätswerke an den Stromriesen Vattenfall veräußert wurden. Kaum war der Verkauf unter Dach und Fach, geriet Vattenfall durch Strompreiserhöhungen, Pannen bei seinen Atomreaktoren in Krümmel und Forsmark und den Plan, in Hamburg ein neues Mega-Kohlekraftwerk zu bauen, in die Schlagzeilen.
"Solche Privatisierungen sind ein Angriff auf den Klimaschutz", sagt Kipping, die die Chance wittert, "an dieser Frage die linke Tradition des Kampfes um Verfügungsgewalt über Produktionsmittel" neu zu beleben.
Die Umweltaktivisten von Greenpeace oder dem Bundesverband Erneuerbare Energien, die an dem Kongress teilnehmen, stehen den neuen Tönen aufgeschlossen, aber nicht ohne Vorbehalte gegenüber. Einerseits froh, einen neuen Bündnispartner in der Umweltfrage gefunden zu haben, "sind wir nach den Erfahrungen mit den Grünen doch skeptisch", sagt Jochen Stay, Sprecher Anti-Atom-Initiative x-tausendmal-quer. Denn eines weiß er: Das Signal, das die Führung der Linken von Hamburg aussenden will, muss erst mal bei ihrer Basis ankommen.
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