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Klimakonferenz COP24Wenig Zeit, um das Eis zu brechen

Beim letzten Treffen vor der entscheidenden Klimakonferenz gibt es keinen Kompromiss. Jetzt heißt es reden, feilschen – und beten.

Neue Studien: Eis und Permafrostboden in der Arktis schmelzen noch schneller als gedacht Foto: ap

Unter dem Motto „Geht doch!“ sind am Sonntag rund 30 Menschen aus Bonn zu einem „ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit“ ins polnische Kattowitz aufgebrochen. Die Gläubigen begannen ihren Marsch über 78 Etappen und 1700 Kilometer zur UN-Konferenz COP24. Auf der Route liegen unter anderem „Schmerzpunkte“ wie der Hambacher Forst bei Aachen. Dort soll am Mittwoch ein Gottesdienst gefeiert werden.

Ähnlich steinig und voller Schmerzpunkte wird der Weg nach Kattowitz auch für die UN-Klima-Verhandler aus 195 Staten. Sie beendeten am Sonntag im thailändischen Bangkok ihr letztes offizielles Vorbereitungstreffen. Aber anders als die Pilger sind die Diplomaten mit schwerem Gepäck unterwegs: Der Verhandlungstext ist etwa 300 Seiten lang, viel zu umfangreich für eine Entscheidung durch die Minister.

Es hake besonders beim Geld und bei den Verpflichtungen zum Klimaschutz, berichten Teilnehmer. „Sehr schwierig und politisch heikel“ nannte die Chefin des UN-Klimasekretariats Patricia Espinosa die Finanzfrage in Bangkok.

COP24 muss das Pariser Abkommen mit Leben füllen

Bei der COP24 in Kattowitz müssen die Delegationen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz mit Leben füllen. Es geht um eine Fülle technischer Details in einem „Regelbuch“, die politisch und ökonomisch sehr wichtig sind: Wie genau müssen die Staaten offenlegen, was sie für den Klimaschutz tun? Müssen industrialisierte Länder höhere Ansprüche erfüllen als Entwicklungsländer? Wie funktioniert die Bilanz der Fort- oder Rückschritte, die alle fünf Jahre aufgestellt werden soll? Wie weisen die reichen Länder nach, dass sie genug Geld für die Opfer des Klimawandels bereitstellen?

Weil es dabei ums Eingemachte geht, waren schon die UN-Verhandlungen in Bonn im Mai so langsam dass das zusätzliche Treffen in Bangkok nötig wurde. Dort gab es nun „eine sehr konstruktive Atmosphäre“ und weitgehende Einigungen bei „einigen Themen wie etwa Technologie“, sagt die Leiterin der deutschen Delegation, Nicole Wilke. Sie sieht „nicht so viel Fortschritt wie gewünscht“, aber bei konstruktiver Arbeit sei ein Erfolg in Kattowitz möglich.

Für den Sprecher der ärmsten Länder (LEDC), Gebru Jember Endalew, war „der Fortschritt langsam, obwohl alle mit einem sinn für die dringlichkeit nach Bangkok gekommen sind. Auf uns wartet ein immenser Berg von Arbeit.“

Am Ende hängt ein Erfolg in Kattowitz an einer Balance zwischen Pflichten und Finanzen. China etwa drängt darauf, dass die Schwellenländer weniger strenge Pflichten bei Transparenz und Anstrengungen im Klimaschutz erfüllen müssen. Die Industrieländer wehren sich gegen diese „Differenzierung“ und verweisen darauf, dass Staaten wie China, Indien, Brasilien oder Mexiko inzwischen ähnliche Verantwortung tragen wie die USA oder Europa. Die armen Länder wiederum fordern von den Reichen verbindliche Fahrpläne und Zusagen über Finanzhilfen: Mindestens 100 Milliarden Dollar sollen ab 2020 für Hilfen beim Klimaschutz, neue Techniken und für Anpassung an Hitze, Dürre und höheren Meeresspiegel von Nord nach Süd fließen. Aber woher das Geld kommen soll und wie es bilanziert wird, ist weiter heftig umstritten. Dabei drängen die armen Länder darauf, nur durch Sicherheit beim Finanztransfer könnte sie die geforderte Transparenz gewährleisten.

Wie immer vor Klimakonferenzen wird die Zeit knapp. Eine Kommission soll in den nächsten Wochen das 300-Seiten-Papier so kürzen, dass es politisch entschieden werden kann. Und hinter den Kulissen laufen die informellen Verhandlungen weiter: Ab Mittwoch auf dem „Klima-Aktionsgipfel“ in San Francisco, Ende September bei der UN in New York und bei den Vortreffen der polnischen Präsidentschaft. Die Lage ist so dramatisch, dass am Montagabend UN-Generalsekretär Antonio Guterres seine erste große Rede zum Klimawandel gehalten hat.

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