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Klimaforscher über Gesundheitsgefahren"Das Problem ist bislang nicht erkannt"

Durch den Klimawandel werden sich eine Reihe von Krankheiten rasant ausbreiten. Die Gesundheitssysteme sind darauf unvorbereitet, sagt Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber.

Vermehren sich lustig dank des Klimawandels: Zecken. Bild: dpa
Heike Haarhoff
Interview von Heike Haarhoff

taz: Herr Schellnhuber, Sie warnen: "Klimawandel gefährdet die Gesundheit". Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Hans Joachim Schellnhuber: Als Leiter eines Instituts für Klimafolgenforschung gehört es zu meinem Kerngeschäft, zu untersuchen, wie sich Veränderungen des physikalischen Klimas auf natürliche, aber auch auf soziale Systeme niederschlagen. Je stärker sich das Klima wandelt, desto gravierendere Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind zu erwarten.

Welche Krankheiten werden durch die Erderwärmung begünstigt?

Bild: cbe
Im Interview: 

Hans Joachim Schellnhuber, 60, leitet seit 1992 das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Der Professor für Physik ist Vorsitzender des Beirats Globale Umweltveränderungen.

Eine Zunahme von Parasiten wie Zecken und die Krankheiten, die sie übertragen, sind bereits jetzt zu beobachten. Gleichzeitig wandern neue Schädlinge und Infektionsüberträger ein. In Regionen, wo sowohl Überschwemmungen als auch Dürren wahrscheinlich zunehmen, wird durch den Mangel an sauberem Trinkwasser die Zahl der Magen-Darm- und Durchfallerkrankungen ohne massive Gegenmaßnahmen steigen. In Gegenden mit regelmäßigen, lang anhaltenden Hitzewellen müssen wir künftig mit einer starken Steigerung von Kreislauferkrankungen rechnen.

Wer kann, wird fliehen aus solchen Regionen.

Wir müssen mit einem neuen Migrationstyp in der Größenordnung von vielen Millionen Menschen rechnen. Sollen wir eine Green Card für diese Heimatlosen einführen? Sie krankenversichern, auch gegen Depression als Erkrankung in Folge möglicher sozialer Konfliktlagen? Oder ist uns ein Stacheldraht um unsere Wohlstandsländer doch lieber?

Sind die Gesundheitssysteme auf die neuen Herausforderungen eingestellt?

Gesundheitspolitiker konsultieren die Klimaforschung kaum bis gar nicht. Sie haben das Problem bislang wohl nicht erkannt. Auch in der medizinischen Forschung spielt der Klimawandel bisher nur eine winzige Rolle.

Was genau ist zu tun?

Die Kombination aus rasantem Bevölkerungswachstum, Klimawandel und chronischer Unterfinanzierung der öffentlichen Systeme ist ein höchst ungesunder Mix. Wir brauchen Frühwarnsysteme, wir müssen die saisonalen Vorhersagen verbessern und wir müssen die Quarantäne- und Seuchenbekämpfungspläne neu überdenken, wahrscheinlich auch die Strukturen des Gesundheitssystems allgemein.

Sie spielen auf die Kosten an.

Meine Befürchtung ist: Wenn wir im Gesundheitssystem künftig ähnliche Standards haben wollen wie heute, dann wird sich dies immens verteuern. Ein Krankenhausbett für einen älteren Menschen, der hitzschlaggefährdet ist, kostet vermutlich bis zu 1.000 Euro pro Tag. Rechnet man dies hoch für 100.000 Menschen, bekommt man eine Vorstellung von den möglichen Dimensionen.

Beunruhigend. Was können wir tun, um gegenzusteuern?

Die Menschheit bläst derzeit weltweit 35 Gigatonnen CO2 jährlich in die Atmosphäre, und es wird immer mehr. Diesen Aufwärtstrend müssen wir rasch stoppen, wenn wir die Erderwärmung auf ein gerade noch beherrschbares Maß begrenzen wollen. Zum Umsteuern bleiben uns maximal zehn Jahre. Bis dahin muss die globale Emissionskurve ihren Scheitelpunkt überschritten haben.

Und wenn das nicht gelingt?

Dann steuern wir auf den Klimawandel zu, der 4, 6, vielleicht sogar 8 Grad Erderwärmung bringen kann.

Wie sähe unser Lebensalltag unter solchen Bedingungen aus?

Niemand kann das heute genau vorhersagen. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich war dieses Jahr in Delhi, 46 Grad im Schatten. Wer es sich leisten konnte, bewegte sich in einer klimatisierten Kunstwelt. Nicht jeder in diesen Breitengraden aber kann eine eigene Klimaanlage haben …

allein schon wegen des CO2-Ausstoßes!

Die Menschen, die draußen arbeiten müssen, sind arm dran. Wenn extreme Hitze die Regel wird, dann muss das Gesundheitssystem über das Alltagsverhalten von Milliarden Menschen nachdenken. Und prüfen, ob man ein Arbeitssystem so umstellen kann, dass man durch veränderte Arbeitszeiten der Hitze des Tages entgeht. Wir brauchen einen interdisziplinären Forschungsansatz, um eine Systemantwort hierfür zu identifizieren.

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10 Kommentare

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  • D
    Damokles

    Liebe Susann, und all ihr anderen Klimawandelskeptiker,

     

    welchen Homo sapiens meinst du denn? Den Homo sapiens sapiens (also uns) oder vielleicht den Homo sapiens neandethalensis (der vor Jahrzehntausenden ausgestorben ist)?

     

    Natürlich verändert sich das Klima und der CO2 Gehalt sozusagen naturbedingt ständig. Aber eigentlich viel langsamer.

    Und daß es keine Korrelation zwischen Durchschnittstemperatur und CO2 Sättigung bzw. anderen Klima verändernden Gasen gibt ist schlichtweg falsch.

     

    In welche besorgnis erregende Richtung das geht kann man erahnen, wenn man sich die vorliegenden Erkenntnisse zum Artensterben während dem Übergang vom perm zum Trias anschaut. Beängstigend.

    Und auf eben sowas steuern wir zu, wenn der CO2 Ausstoß (resp. das Produzieren von Klimagasen) nicht gezügelt wird.

     

    Dass damit auch Geld gemacht und propagandistischer Mist gebaut wird steht leider außer Frage. Die ernst zu nehmende Sorge einer radikalen Klimaerwärmung bleibt dennoch bestehen. Und selbst wenn die Erde nicht daran kaputt gehen wird, für viele lebende Arten könnte es trotzdem recht ungemütlich werden.

     

    Aber wir können uns ganz sicher sein, dass wir dank Klimaanlage, Trinkwasseraufbereitung, Gesundheits- und Rentensystem bei der ganzen Sache fein raus sind, gelle?

  • M
    MTK

    @ reblek:

    "... Weshalb sie IHN ständig falsch einsetzen."

    Ansonsten ergäbe der Satz keinen Sinn - oder?

  • K
    Karl

    Im Klimaoptimum wurd sogar im mittelhess. Marburg Wein angebaut. Ob das resultierende Getränkt nur von Klerikern zwecks Katharsis getrunken, von Alchemysten verarbeitet oder zum Metall ätzen verwendet wurde scheint nicht überliefert.....

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • GG
    Günter G.

    Nicht nur durch den Klimawandel, den wir jetzt erleben. Auch durch den übertriebenen globalen Tourismus, der uns mit jedem Flugzeug immense CO²-Produktion beschert und diesen Klimawandel mit herbeiführt. Wir wissen ja gar nicht, welche Spätfolgen noch auf uns zukommen.

  • R
    reblek

    "Durch den Klimawandel werden sich eine Reihe von Krankheiten rasant ausbreiten." - Soweit ich weiß, ist "Reihe" ein Singular und folglich wird sich eine Reihe von Krankheiten ausbreiten. Aber der Plural ist halt so etwas wie eine Majestät in den Augen der Schreibenden, nehme ich an. Weshalb sie in ständig falsch einsetzen.

  • P
    Panikmache

    Diese Thema wird von vielen als eindeutig belegt angesehen was es aber keinesfalls ist.

     

    Die IPCC ist seit dem Climategate Skandal mit Sicherheit nichtmehr als Absolute Quelle für Daten und Vorhersagen heranzuziehen. Die NOAA ist zum Beispiel der Meinung das sich Temperaturschwankungen in den natürlichen Grenzen befinden. Für jeden der immer liest das sich die Erde erwärmt klingt das alles wie Blödsinn aber warum berichtet ihr Medien (auch die TAZ) nicht darüber das es dieses Jahr sogar in Brasilien Schnee hatte und halb Südamerika zugefroren war genauso wie wir in der Nordhalbkugel im letzten Winter.

     

    Wenn das CO2 also wie angegeben die Temperatur maßgeblich beeinflußt müssten wir beim betrachten der Temperatur und des CO2 Gehaltes über die Zeitalter eine Korrelation erkennen können.

    Dies ist leider(zum Glück) nicht der Fall im Mesozoikum (Jura) war die CO2 Konzentration bei ca. 1800 ppm (heute 385 ppm) und Gleichzeitig eine Durchschnittliche Temperatur von ca. 22 °C

    Dann wäre da noch die Warmperiode im Mittelalter wo in Großbritannien Wein angebaut wurde.

     

    Es gibt andere Wege unsere Erde zu retten aber Sondermüll-Glühbirnen zu kaufen ist sicherlich der Falsche weg. Von der Konsumgesellschaft wegzukommen ist der erste Schritt.

     

    Peace

  • M
    Martin

    Hallo!?

     

    Climatgate?

     

    Al Gore´s aufgrund von massiven "Fehlern" verbotener Film?

     

     

    Merkel spricht selbst schon vom Klimaschutz-Regime.

    War natürlich ein Versprecher.

  • S
    Susann

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    CO2 beträgt 0,038% unserer Atmosphäre. Der Mensch trägt mit plusminus immer 0,00x prozent dazu bei. Erdgeschichtlich gesehen war es schon sehr viel höher, auch zu Erscheinen des Homo Sapiens. Die Mehrheit der Leser unterliegt einer Lüge, welche dazu dient, unsere korrupte politische LEISTUNGSLOSE Führerschaft zu ernähren. WEG DAMIT! Ohne unsere sogenannte Elite, unseren Medien und den ganzen Saugnäpfen würde es den meisten normalen Bürgern besser gehen.

    Leider wird keiner seine leistungslosen Pfründe ohne Widerstand aufgeben. Nee, die denken, sie sind schlauer als Mensch und jeder will Geld für Hirngespinste. Stell Dir mal nen Politiker oder Wissenschaftler aufm Acker oder als Arbeiter vor....

    Schau'mer mal!

  • KR
    Karl Rannseyer

    Dem Katastrophenpropheten ist wirklich nichts zu peinlich.

    Naja, die taz ist also auch auf dem absteigenden Ast.

  • H
    hto

    Der UNAUSWEICHLICHE und von Menschenhand nur lächerlich-bedingte Klimawandel gefährdet das Leben von Massen, die man durch eine konsequente Veränderung unseres Systems "zusammen-zu-leben" retten könnte, doch Klimakatastrophe paßt besser zum "gesunden" Konkurrenzdenken und der konfusionierenden Überproduktion von Kommunikationsmüll des "freiheitlichen" Wettbewerbs!?