Klimaexperten korrigieren Regierung: Landwirte schaden dem Klima sehr
Selbst von der Union vorgeschlagene Forscher schätzen die Verantwortung der Bauern höher ein als die Regierung: Die Landwirtschaft verursache bis zu 15 Prozent der Treibhausgase.
BERLIN taz | Die Klima-Anhörung der Bundestagsausschüsse für Ernährung und Umwelt ist für die Union in einem zentralen Punkt nach hinten losgegangen: Selbst die von CDU/CSU vorgeschlagenen Wissenschaftler widersprachen Angaben von Unionspolitikern, wonach die Landwirtschaft nur 7 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verursacht. In ihren schriftlichen Stellungnahmen für den Termin bezifferten die Professoren Gerhard Flachowsky, Hans-Joachim Weigel und Michael Köhl den Anteil viel höher: auf bis zu 15 Prozent.
Der konservative Bauernverband und seine Verbündeten in der Union wollen den Anteil der Landwirtschaft möglichst gering angeben. Sie befürchten, dass die Bauern sonst zu kostspieligen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet werden könnten. So erklärte Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) vor kurzem, die Landwirtschaft trage nur zu 6 Prozent zum Problem bei. Noch in der Anhörung nannte der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Bleser (CDU), die 7 Prozent.
So allgemein, das wurde bei der Veranstaltung Ende Februar deutlich, sind Aigners und Blesers Zahlen aber schlichtweg falsch. Denn sie berücksichtigen nur den Methanausstoß etwa der Kühe und das Lachgas, das aus überflüssigem Stickstoffdünger umgewandelt wird. Das habe der Weltklimarat IPCC festgelegt, erklären Weigel vom bundeseigenen Johann Heinrich von Thünen-Institut und Köhl von der Universität Hamburg. Der Ausstoß für die Produktion von Strom, Dünger oder Futter etwa ist in den Unionszahlen nicht enthalten.
Aus einer Tabelle in der Expertenstellungnahme geht hervor, dass all diese Faktoren inklusive zu einem Anteil der Bauern an den Treibhausgasemissionen von circa 15 Prozent führen. Flachowsky vom staatlichen Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit nennt eine Spanne von 12 bis 15 Prozent - es kommt eben immer darauf an, was man alles der Landwirtschaft zuschlägt. Auf Blesers Frage, wann sich die Wissenschaft nun endlich auf eine Zahl einige, antwortete der von der FDP vorgeschlagene Professor Folkhard Isermeyer: "13,2 oder 12,7 Prozent - so what? Die Größenordnung wissen wir schon."
Um diesen Anteil möglichst preisgünstig zu senken, schlagen die Wissenschaftler vor, dass die Bauern weniger Stickstoffdünger ausbringen, den die Pflanzen nicht verwenden können und der deshalb Lachgas freisetzt. Hier müsse die Landwirtschaft effizienter werden. Zwar setzt die Düngeverordnung schon ein Limit, aber sie erlaube keine Bußgelder bei Verstößen.
Deshalb empfehlen die Experten, die Verordnung so schnell wie möglich zu überprüfen. Für realistisch halten sie es auch, mit noch mehr Gülle als bisher in Biogasanlagen etwa Strom zu erzeugen - statt dass die Exkremente an der frischen Luft liegen und Treibhausgase entstehen. Sehr teuer sei es dagegen, Pflanzen in den Biogasanlagen einzusetzen.
Weiter ging da vor allem Florian Schöne vom Naturschutzbund (Nabu). Er forderte Kampagnen des Staates für weniger Fleischkonsum, denn die Tierhaltung ist Hauptverursacher der Treibhausgase in der Landwirtschaft. Stickstoffdünger will er mit einer Abgabe verteuern.
Thomas Dosch, der den größten deutschen Ökobauernverband Bioland leitet, verlangte, die besonderen Umweltleistungen von Biolandwirten zu bezahlen. Schließlich sparten sie der Gesellschaft zum Beispiel Kosten für die Reinigung von Trinkwasser, weil sie weniger Chemikalien benutzten. Langzeitversuche zeigten, so Dosch, dass Ökobauern mit der verwendeten Energie etwa in Form von Dünger besonders viel produzierten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“