Klima-Protestaktionen: Schön und schmerzhaft
Nach der Blockade des Privatjet-Terminals am BER stellt sich die Frage: Was könnten Letzte Generation und Scientist Rebellion voneinander lernen.
E s gibt Aktionen, die sind symbolisch so präzise und aussagekräftig, dass sie einfach nur als „schön“ bezeichnet werden können. Die Blockade des BER-Privatjet-Terminals durch Aktivist:innen der Gruppe Scientist Rebellion am Donnerstag war so eine Aktion. Ein Dutzend Mitglieder der Klimaschutzgruppe demonstrierte mehrere Stunden lang vor dem Eingang des Terminals und forderte ein Verbot von Privatflügen.
Schön ist an der Aktion, dass sie moralisch kaum Angriffspunkte liefert. Ziel der Blockade waren in erster Linie superreiche Multimillionäre, die, um ein paar Stunden zu sparen, lieber mit dem Privatjet von Berlin nach Nizza zum Golfen fliegen. Auch die Aktivist:innen selbst sind wenig angreifbar: Als berufstätige Wissenschaftler:innen, die besser als die Durchschnittsbevölkerung über Ursachen und Folgen der Klimakrise informiert ist, lassen sie sich kaum als verblendete Fanatiker:innen verunglimpfen.
Schlussendlich ist auch die Forderung nach einem Verbot von Privatflügen durchdacht. Wenn wir als Gesellschaft unseren CO²-Ausstoß radikal reduzieren müssen, warum fangen wir nicht beim offensichtlich Überflüssigsten an?
In einer demokratischen Gesellschaft, in der die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keinen Privatjet besitzt und Konsens darüber herrscht, dass Privatflüge keine relevante Funktion erfüllen, sollte die Umsetzung eines solches Verbot eigentlich kein Problem sein. Dass es trotzdem nicht passiert, offenbart wie der Einfluss Superreicher auf die Politik einen effektiven Klimaschutz blockiert.
Gegenentwurf zur Letzten Generation?
Diese Schönheit unterscheidet die Privat-Blockade der Scientist Rebellion maßgeblich von den Straßenblockaden der Letzten Generation. Diese betreffen vor allem Pendler:innen, die außer ihrer Wahl des Verkehrsmittels keine herausragende Schuld an der Klimakrise trifft. Zwar sind die Forderungen nach einem Tempolimit auf Autobahnen ebenfalls einfach umsetzbar, dennoch entsteht der Eindruck, das Klimaaktivismus hier auf dem Rücken von Arbeiter:innen ausgetragen wird.
Es ist diese fehlende Vermittelbarkeit, die die letzte Generation so angreifbar macht. Bei der hitzigen Debatte um den verspäteten Rettungswageneinsatz, dessen vermeintliche Ursache eine Klebeaktion gewesen sein soll, schwingt immer mit, dass sie genauso gut eine andere Aktionsform hätten wählen können, wenn es einfach nur darum geht, den Alltag zu stören.
Man stelle sich einmal das folgende Bild vor: Nach wochenlangen Blockaden von Privatjet Terminals sprechen Politiker:innen von “Angriffen auf unsere kritische Infrastruktur“, in Medienkommentaren ist von der „moralischen Überheblichkeit“ die Rede, mit der Wissenschaftler:innen das Grundrecht auf Privatflüge einschränken wollen. Videos von verärgerten Millionär:innen, die versuchen Aktivist:innen von der Landebahn zu schleifen, würden wahrscheinlich viel Zuspruch ernten.
Die traurige Wahrheit ist aber auch: mit schönen Aktionen allein, die eigentlich niemanden wehtun (laut Aussagen des Flughafenbetreibers wurde der Flugbetrieb nicht gestört) lassen sich weder gesellschaftliche Debatten anstoßen, noch politischer Druck erzeugen. Die Privatjet-Blockade war zwar vielen Medien eine Meldung wert, das politische Tagesgeschäft störte sie aber nicht. Was das angeht, ist die Letzte Generation deutlich erfolgreicher. Ihre Aktionen sind so schmerzhaft, dass sie mittlerweile niemand mehr ignorieren kann.
Aber vielleicht kann die eine Aktionsform ja von der anderen lernen: Blockaden, die wehtun, dabei aber auch schön sind.
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