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Klima-Forschungsgipfel"Technologische Innovation reicht nicht"

Ein Mentalitätswandel muss dringend her, findet Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber. Denn mit bewussterem Verhalten ließen sich bis zu 40 Prozent Energie einsparen.

"Wir brauchen einen Lösungs-Al-Gore," meint Schnellnhuber. Bild: dpa

taz: Herr Schellnhuber, welchen Stellenwert hat Hightech für den Klimaschutz?

Hans Joachim Schellnhuber: Einen wichtigen. Aber das Streben nach technologischen Lösungen darf nicht davon ablenken, dass wir auch unser Verhalten ändern müssen. Wir könnten bereits heute 30 bis 40 Prozent unserer Energie einsparen, wenn wir sie intelligenter nutzen würden. Aber wir verschwenden sie aus Unwissenheit. Wir brauchen also nicht nur technologische Innovation, sondern auch einen Mentalitätswandel.

Al Gore hat seinen Teil des Friedensnobelpreises dafür bekommen, dass er die Ursachen und Folgen des Klimawandels so eindringlich beschrieben hat. Aber wer verkündet die Lösungen, die harten Einschnitte?

Wir brauchen einen Lösungs-Al-Gore, nicht nur einen Warn-Al-Gore. Vielleicht könnte ja Angela Merkel in diese Rolle hineinwachsen. Ich glaube allerdings, dass eine Person allein nicht ausreicht. Für die Warnungen vor dem Klimawandel genügt eine Kassandra, um die erforderlichen Lösungen zu entwickeln, brauchen wir aber einen neuen Humboldt, einen neuen Siemens, viele Menschen, die ein ganzes Portfolio an Wegen eröffnen.

Was sind die drei Bereiche, in denen Sie den größten Forschungsbedarf sehen?

Da ist zunächst die Rückgewinnung von CO2 aus der Atmosphäre. Es wird nicht reichen, nur die Emissionen zu senken. Wir werden auch versuchen müssen, das CO2, das bereits in der Atmosphäre ist, herauszufiltern und zu binden, so wie Bäume das tun. Zweitens müssen wir auf Solarenergie setzen. Die Sonne bietet ein unerschöpfliches Reservoir, das die Energieprobleme für weite Teile der Menschheit lösen kann. Und drittens müssen wir die Speicherung und Übertragung von Energie weiterentwickeln. Was unsere Stromnetze angeht, befinden wir uns noch im elektrischen Mittelalter.

Wer muss jetzt handeln, um diese Probleme zu lösen?

Es ist immer leicht zu sagen, der Staat solle mehr Geld geben. Aber hier stimmt es auch. Die Wirtschaft muss sich ebenfalls noch sehr viel stärker engagieren. Immerhin erkennt sie inzwischen die Herausforderung. Aber am wichtigsten ist das, was sie in Großbritannien spirit nennen. Wir müssen die jungen Leute für die Forschung gewinnen. Vielleicht ist ja ein neuer Einstein unter ihnen. In den Sechzigerjahren hat man in den USA die Kräfte für das "Man to the Moon"-Projekt gebündelt. Heute brauchen wir ein weltweites gemeinsames "Man oder Woman to the Earth"-Projekt, das alle Anstrengungen vereint und die Menschen begeistert.

INTERVIEW: NIKOLAI FICHTNER

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