Klima-Diplomatie: Zeitverschwendung in Bonn
Nachdem es bei jüngsten Vorverhandlungen keinerlei Fortschritte gab, befürchtet UN-Klimachef Yvo de Boer ein Scheitern des großen Gipfels in Kopenhagen.
BONN taz | Die Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutz-Abkommen stecken in einer Krise. "Dieses Treffen hat uns nur wenig weitergebracht", sagter der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, am Freitag zum Abschluss einer fünftägigen Vorbereitungsrunde in Bonn sichtlich frustriert. "Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir es nicht schaffen."
Sollte es keine Fortschritte geben, werde bei der großen UN-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen kein Nachfolgevertrag für das 2012 auslaufende Kioto-Protokoll verabschiedet. "Die Zeit wird knapp." Eindringlich warnte de Boer vor einem möglichen Scheitern, das nach seiner Überzeugung "den Weg zu einem globalen Desaster" bedeuten würde.
Seit Montag hatten die rund 2.400 Delegierten und Beobachter aus rund 190 Ländern beraten, doch wirklich angenähert haben sie sich nicht. Umstritten sind weiterhin die Zielvorgaben, um wie viel Prozent Industriestaaten und Schwellenländer künftig ihre Treibhausgasemissionen senken sollen. Keine erkennbaren Fortschritte gibt es auch in der Frage der von den Entwicklungsländern angemahnten technologischen und finanziellen Unterstützung.
Da sich eine Reihe von Staaten gegen rechtlich bindende Festlegungen sperrt, ist bislang ebenfalls unklar, welche rechtliche Form das Kopenhagen-Dokument haben soll. Den bisher 200 Seiten umfassenden Verhandlungstext, in dem die meisten der verschiedenen und teils widersprüchlichen Vorschläge zusammengefasst worden sind, auf 50 Seiten zu reduzieren, ist in Bonn nicht gelungen.
Während ein Sprecher des Bundesumweltministeriums der taz sagte, von dem Treffen seien "keine entscheidenden Fortschritte erwartet worden", zeigten sich die Umweltorganisationen von den Bonner Gesprächen einhellig enttäuscht. "Die Industriestaaten wollen nicht einmal die Hälfte der Menge an Treibhausgasen reduzieren, die Wissenschaftler für notwendig halten, um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern", kritisierte Martin Kaiser, der die Verhandlungen für Greenpeace beobachtet.
Von einer "gefährlichen Situation" sprach der Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals. So versuchten die erdölexportierenden Staaten den gesamten Prozess zu untergraben. Verärgert über die bislang unzureichenden Klimaschutz- und Finanzierungsangebote der Industrieländer ließe sich ein Teil der Entwicklungsländer dazu instrumentalisieren. Dies spiele jedoch einigen großen Industrieländern wie Kanada, Russland und manchen in den USA in die Hände, die kein verbindliches Abkommen in Kopenhagen wollen.
Die G-8-Staats- und -Regierungschefs hatten bei ihrem letzten Treffen in LAquila vereinbart, den CO2-Ausstoß ihrer Länder bis Mitte des Jahrhunderts um 80 Prozent zurückzufahren. Dabei blieb aber unklar, welches Ausgangsjahr bei der Berechnung gelten soll. Mittelfristige Ziele bis 2020 wurden nicht vereinbart. Bis zur entscheidenden Konferenz in Kopenhagen im Dezember sind noch weitere Vorgespräche im September in Bangkok und im November in Barcelona geplant. Am 22. September planen die UN zudem ein Treffen von Staats- und Regierungschefs zum Klimaschutz.
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