Serie Hegemonialmacht USA (8): Kleinstdemo gegen große Politik
■ Die US–Oppositionsbewegung verpaßte die große Chance, Weltbank und IWF in Washington angemessen auf den Leib zu rücken
Nichts war dem Zufall überlassen. „Sind ihnen zehn Minuten genug?“, fragt der Einsatzleiter der Washingtoner Stadtpolizei, „dann warten wir solange, kommen anschließend mit den Wagen von der 19. Straße rüber und nehmen sie fest“. „O.k., zehn Minuten reichen uns“, war die Antwort des Emissärs von seiten der Demonstranten. Vorher hatten beide Seiten noch vereinbart, daß die zwei Kleinkinder nicht in die Blockadeaktion einbezogen werden. Das hätte die Cops vor Schwierigkeiten gestellt, und das wollten sie nicht. In jeder Hinsicht planvoll gingen dann 13 Mitglieder der US–Umweltaktionsgruppe „Earth First!“ über die Straße, setzten sich Hand in Hand vor den Haupteingang der Weltbank und riefen die vereinbarten zehn Minuten lang unter den Augen von Polizei und Sicherheitskräften der Bank aus vollem Herzen „Stop the Bank, not the Earth“. Dann rollten die Chevrolet–Lieferwagen mit den vergitterten Fenstern an, jeder Blockierer wurde gestreng nach Waffen durchgecheckt und zu guter Letzt mit auf dem Rücken gefesselten Händen weggekarrt. Ob solche Traumvorstellungen geordneten Miteinanders weiland Jo Leinen 1982 beschlichen haben, als er vor den großen Friedensdemonstrationen Geheim gespräche mit den Spitzen der Polizei suchte? Was ihm seinerzeit die übelsten Beschimpfungen von der Szene einbrachte, scheint hier jedenfalls als üblicher „Deal“ vor solchen Aktionen zu laufen. Die Voraussetzungen für planvolles Vorgehen waren vergangenen Donnerstag an der Ecke der 19. und H–Straße in der US– Hauptstadt auch aus anderen Gründen denkbar günstig: Ganze 48 erwachsene Demonstranten, zwei Zweijährige und ein zornig bellender Hund waren vor das Gebäude der Weltbank gezogen, um gegen deren umweltzerstörende Projekte in der Dritten Welt, vor allem im tropischen Regenwald, zu demonstrieren. Mit 100 hatten die Veranstalter gerechnet. In diesen Größenordnungen hat die US– Bewegung gegen die Politik von Währungsfonds und Weltbank ganz offenbar die Grenzen ihrer Mobilisierung gefunden. Immerhin waren alle 48 samt Hund lautstark und hochmotiviert. Jeder hatte mindestens zwei Transparente vorbereitet (“Make love, not loans“), nur mitgelaufen ist keiner, weder auf zwei noch auf vier Beinen. Und man hat erreicht, was man erreichen wollte. Die Festnahmen wurden wunschgemäß erledigt und die lokale Presse stieg darauf ein. Im vergangenen Jahr hatte sich sogar die Zeitung der Weltbank selbst zu einer Stellungnahme provoziert gefühlt, da waren nämlich 350 Leute zusammengekommen. Daß die „linke Szene“ im Lande eher unterbesetzt ist, dürfte nur ein Grund dafür sein, daß einschlägige Demonstrationen derartig übersichtlich bleiben. Ihr einziger Ansatzpunkt ist die drohende Umweltkatastrophe. Soziale Folgen der IWF– und Weltbankpolitik kommen kaum zur Sprache, oder nur dann, wenn es um die Bewohner der Regenwälder geht. Die Organisationen, die noch am ehesten hätten Massen mobilisieren können, die etablierten Umweltschutzorganisationen mit vielen Millionen von Mitgliedern, praktizieren lieber eine Geheim diplomatie der internen Einflußnahme auf die Weltbank über offizielle und inoffizielle Kanäle. Sie lehnen für sich die Politik der Straße ab, haben dadurch einen Besucherstatus bei der Jahrestagung erreicht und beeinflussen im übrigen lieber eine handvoll Senatoren wie den Republikaner Bob Kasten oder Mitglieder des Repräsentantenhauses bei Gesetzesinitiativen für mehr Umweltschutz bei der Weltbank. Zweifellos haben sie Erfolge vorzuweisen. Insbesondere Bruce Rich, der am Schluß der Aktion vor der Weltbank auch noch kurz „hereinschaute“, und sein Environmental Defense Fund werden hin und wieder in der Presse genannt, auch schon mal auf der Titelseite der New York Times. Da wird dann darauf verwiesen, daß man es geschafft hat, allein in den letzten drei Jahren 17 Kongreß– Hearings zum Thema Weltbank und Umweltzerstörung auf die Beine zu stellen. Die Fundis vor der Weltbanktür hielten trotzdem nur wenig von der Geheimdiplomatie (siehe Interview). Es muß jedenfalls ein großes Rätsel bleiben, warum die etablierten Umweltorganisationen eine große Chance schlicht ignorierten, die sich ihnen bei der Weltbanktagung geboten hat. Unter den 1.000 Journalisten - zu einem großen Teil aus der Dritten Welt - waren sicherlich nicht wenige, die sich für all das interessieren, was Environmental Defense Fund, National Wildlife Federation und wie sie alle heißen, zu sagen haben. Nichts war auf der Jahrestagung von ihnen zu spüren. Dabei lief während der gesamten Jahrestagung ein anspruchsvolles Parallelprogramm - aber eben unter Ausschluß der Presse: Die Umweltorganisationen hatten eine stattliche Reihe von Nicht– Regierungsorganisationen aus Entwicklungsländern geladen, um sich über Weltbankprojekte vor Ort informieren zu lassen. Strategieseminare für Kampagnen in Sachen regionale Entwicklungsbanken und auch für die Tagung 1988 in Berlin fanden statt und vieles mehr. Für die schreibende Zunft gab es ein einziges Pressemittagessen mit Senator Kasten, wovon aber auch niemand etwas mitbekam. Lediglich der neue Film des Rockstars Bob Geldof „Der Preis des Fortschritts“, ein durchaus sehenswerter Streifen über die kriminellsten Weltbank–Großprojekte, fand ein etwas größeres Publikum, wobei auch hierfür die Presse ungenügend angesprochen worden war. Vielleicht verspricht man sich von so viel Zurückhaltung, weiterhin als seriöser Gesprächspartner bei einschlägigen Weltbank–Angehörigen zu gelten. Wenn nicht Reinhard Behrens, der bundesdeutsche Vertreter der Umweltaktionsgruppe „Robin Wood“, hin und wieder etwas Info–Material auf die Tische in den Presseräumen plaziert hätte - der Eindruck wäre ungebrochen gewesen: Alles easy bei der Weltbank. Er war nicht der einzige, der sich zum Abschluß der Tagung äußerst unzufrieden über die Öffentlichkeitsarbeit der Umweltgruppen zeigte.
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