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Kleingeld für Töpperwien

Vor 30 Jahren brach der Pfosten auf dem Bökelberg, bald sagt Gladbachs Stadion Adieu

MÖNCHENGLADBACH taz ■ „Sie sehen doch, dass hier nichts zu machen ist. Brechen Sie das Spiel ab!“ Sprach Günter Netzer, als er noch Mittelfeldmotor und nicht Grimme-Preisträger war. Und der obrigkeitshörige Schiri Neuser tat, wie ihm geheißen. Weil an jenem 3. April 1971, 120 Sekunden vor dem Ende der Partie zwischen der heimischen Borussia und Werder Bremen beim Stand von 1:1, im Gladbacher Stadion ein noch alufreier Torpfosten gebrochen war. Die Bilder des eingestürzten Tores mit Stürmer Laumen mittendrin gingen noch Tage durch die Fernsehnachrichten. Und bastelten ordentlich mit am Mythos Bökelberg.

Die Mönchengladbacher Fußballarena zählt auch 30 Jahre später noch zu den originellsten Stadien der Republik, weil sie wie ehedem den Charme des Provinziellen versprüht. Wo heute Borussias Heimstatt steht, war früher eine Sandkuhle. Die Eingeborenen nennen den Platz denn auch weiterhin „dä Kull“. Dessen Ränge waren jahrzehntelang unbefestigte Sandhügel. Bei Regen wurd’s schnell schlammig, und die Klamotten waren versaut.

Mittlerweile muss niemand mehr um seinen Halt fürchten – die Sandhügel sind längst durch schnöde Stehränge ersetzt. Die sind eng und unkomfortabel, doch so wunderbar steil, dass man im Hochgefühl optimaler Sicht die Gefahr des Vornüberkippens glatt vergisst.

Ewig unvergessen wird auch bleiben, wie sich im Oktober 1971 ein junger Mann im Coladosenweitwurf versuchte und dabei einen im Inter-Mailand-Leibchen aufgelaufenen Ohnmachts-Darsteller so punktgenau traf, dass dieser Beifall auf offener Szene und die Borussia ein 7:1 über Italiens Meister aberkannt bekam.

Oder wie sich ZDF-Minipli Rolf Töpperwien statt im Puff im Fangedränge die Brieftasche klauen ließ, weshalb ihm die notorischen Nordkürvler noch heute Kupfermünzen zuzuwerfen pflegen.

Ein Plausch mit dem Eckballtreter, Beleidigungen für die Gästetrainer, Flugstunden für Bierdeckel oder Taschenmesser – in Gladbach ist das alles noch möglich. Der Bökelberg ist eine Art Globe Theatre, wo das Volk wie zu Shakespeares Zeiten direkt vor den Akteuren steht und sich ins Geschehen einmischt, wenn’s ihm langweilig wird.

Noch erregen sich die Anrainer der umliegenden Nobelhäuser alle zwei Wochen über Wasser abschlagende Kuttenträger im Vorgarten, doch das Ende ist abzusehen. Verein und Stadt haben sich endgültig dazu entschlossen, ein 155 Millionen Mark teures Stadion nach modernstem Entertainment-Standard zu bauen. Der historische Bökelberg wird platt gemacht. Sputen muss sich also, wer das einzigartige Flair noch einmal selbst erleben möchte. Die Schnupperangebote cleverer Reisebüros sind bestimmt schon in der Mache: „Besuchen Sie den Bökelberg, solange er noch steht!“ HOLGER JENRICH

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