: Kleines Bhutan groß im Ankündigen
NACHGEHAKT Das Land will 100 Prozent Ökolandwirtschaft; und was wurde aus dem Bruttonationalglück?
Die Meldung fand bereits im vergangenen Jahr weltweit Beachtung: Das kleine Himalaja-Königreich Bhutan kündigte an, es wolle binnen weniger Jahre der erste Staat weltweit mit einer zu hundert Prozent biologischen Landwirtschaft werden. „Bhutan hat beschlossen, angesichts des enormen Drucks, der auf dem Planeten lastet, den Weg einer grünen Wirtschaft einzuschlagen“, sagte der damalige Landwirtschaftsminister Pema Gyamtsho.
Konventionelle Landwirtschaft erfordere den Einsatz von Chemikalien, was nicht mit den Werten des Buddhismus zu vereinbaren sei, hieß es damals weiter aus Thimphu, der Hauptstadt des Landes. Kunstdünger und Pestizide sollen nach und nach aus dem Verkehr gezogen werden.
Der einzige Gegenkandidat im Wettrennen um den Titel „100 Prozent biologisch“, den das nur 700.000 Einwohner zählende Königreich derzeit hat, ist der winzige Pazifik-Inselstaat Niue. Auch dessen gerade einmal 1.400 Einwohner sollen bis etwa 2020 alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse rein organisch herstellen.
Bhutans ehrgeiziger Plan läuft jedoch Gefahr, vom gleichen Schicksal eingeholt zu werden wie der eigentliche ideologische Exportschlager des Landes: das Bruttosozialglück. Es geht auf eine Idee des damaligen bhutanischen Königs in den 1970er-Jahren zurück: Wachstum soll nicht nur an wirtschaftlichen Indikatoren bemessen werden, sondern an der Zufriedenheit der Menschen. Beamte in traditioneller bhutanischer Kleidung haben seitdem das gesamte Land bereist und die Menschen danach befragt, was ihnen fürs Glücklichsein wichtig ist. Die Vereinten Nationen haben Gelder für die Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Regierungen in aller Welt haben sich wohlwollend über den Ansatz geäußert.
Das Problem: Viel herausgekommen ist dabei bis jetzt nicht. Wie man die mittlerweile mehreren Dutzend Unterkategorien des Glücklichseins in eine tatsächliche Entwicklungspolitik umsetzen soll, ist unklar.
In Bhutan selbst sind viele Menschen von dem Wirbel, der seit Jahren um das Glücksprinzip gemacht wird, mittlerweile nur noch genervt. Selbst Bhutans neuer Premierminister Tshering Tobgay sagte erst diese Woche, er stehe dem Konzept skeptisch gegenüber. Er wolle sich mit seiner Regierung lieber um die unmittelbaren Probleme des Landes kümmern: Arbeitslosigkeit, Armut und Korruption: „Wenn die Regierung unangemessen viel Zeit darauf verwendet, über das Bruttosozialglück zu sprechen anstatt für die Grundversorgung zu sorgen, dann ist es eine Ablenkung.“ SASCHA ZASTIRAL
■ Reportagen über das Nationalglück im taz-Archiv: „Die Vermesser des Glücks“ vom 5. 12. 2009 und „Land im Glück“ vom 29. 12. 2010