■ Kleiner Sieg von Scientology vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bauernschläue macht sich bezahlt
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Scientology-Sekte gestern einen Teilerfolg beschert. Zwar drückt sich das Gericht um die Frage, ob Scientology nun eine Religionsgemeinschaft sei oder nicht. Das sei, so sagen die Richter, auch gar nicht so entscheidend. Ein Wirtschaftsunternehmen, dem die Rechtsfähigkeit als Verein entzogen werden müßte, sei Scientology aber auch nicht – immerhin würden doch lediglich gegen Entgelt diese Psychokurse angeboten, die den Mitgliedern den Weg zu neuen Stufen des Daseins öffnen sollen. Daß diese neue Stufe oft genug darin besteht, daß die Menschen psychisch und finanziell abhängig und ruiniert sind, hielt das Gericht in dieser Frage für unerheblich.
Der Trick, mit dem Scientology arbeitet, hält also vorerst der Justiz stand: Der Verein kümmert sich um die Seele und den Geldbeutel der Mitglieder – und die arbeiten fleißig. Dafür gilt: Wo Scientology drin ist, steht noch längst nicht Scientology drauf. Aber jede Firma, die einem Scientologen gehört, ist de facto eine Firma von Scientology – was die Organisation selbst immer wieder durch ihre Dementis eindrucksvoll bestätigt. Etwa 1995 in Berlin-Neukölln, als Einwohner sich über die spekulativen Machenschaften einer Immobilienfirma beschwerten und gleich der Vizepräsident von Scientology Deutschland angereist kam, um zu betonen, daß „die Scientology-Kirche nichts mit Immobilien zu tun“ habe.
Die Entscheidung, ob sich Scientology mit dieser doch recht billigen Bauernschläue langfristig durchsetzen kann, liegt nun wieder beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Der muß feststellen, ob die Tätigkeiten der Mitglieder und anderer Scientology-Organisationen der Scientology Church zugerechnet werden können. Und das dürfte, obwohl es jeder weiß, schwer nachzuweisen sein.
Für die Gegner der Organisation heißt das gestrige Urteil, daß der Sekte mit dieser Art der Formaljuristerei kaum beizukommen ist. Die Strategie gegen Scientology muß eine politische sein, sie muß aufklärerisch sein, dekonspirativ. Scientology gewinnt dort Einfluß, wo man gar nicht merkt, daß es überhaupt um Scientology geht; sie verliert, wo ihre Mitglieder, ihre Maximen und ihre Reaktionsmuster bekannt sind. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das Eis für Scientology in Deutschland schon recht dünn geworden – trotz des gestrigen Urteils und trotz all der lancierten Proteste aus den USA. Je mehr die Sekte in die Enge getrieben wird, desto heftiger schlägt sie um sich. Das gilt es auszuhalten. Bernd Pickert
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