Kleiner Parteitag: CDU wagt sich an Soziales
Beim Landesparteitag der CDU stellt Gastredner Dieter Althaus sein Bürgergeld-Modell vor. Er erntet heftige Kritik: Die einen sehen darin eine Vorlage für Schmarotzer, den anderen ist es zu unsozial.
Aufbruch auf christdemokratisch: In den Räumen einer Versicherung für Senioren versammeln sich am Sonnabend viele mittelalte Herren in Anzügen und einige wenige junge Frauen, um über soziale Gerechtigkeit zu diskutieren. Für einen Landesparteitag der CDU, die sich zuletzt vor allem gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof engagierte, kein selbstverständliches Thema. "Ich freue mich sehr, dass wir diesen Schritt jetzt wagen", ruft Landeschef Ingo Schmitt gleich zu Beginn. Er begrüßt den Gastredner des Tages: Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus ist gekommen, um seine Idee eines "solidarischen Bürgergeldes" vorzustellen.
Ein streitbarer Vorschlag: Althaus fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Bürger. Erwachsene sollen 800 Euro erhalten, Kinder 500 Euro. Eine Kopfpauschale von 200 Euro für die Gesundheits- und Pflegeversicherung muss gleich davon abgezogen werden. Jeder zusätzlich verdiente Euro soll mit 50 Prozent besteuert werden. Ab einem Einkommen von 1.600 Euro zahlt man nur noch 25 Prozent Steuern.
Es ist ungewöhnlich, dass sich in der CDU jemand hinstellt und sagt: Wir verteilen zunächst einmal Geld an alle. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens hat auch Anhänger bei Linken und Grünen, die zeitgleich auf ihrem Bundesparteitag in Nürnberg darüber streiten.
Vielen der CDU-Delegierten geht der Vorschlag von Althaus denn auch zu weit. "Das Bürgergeld wäre eine Katastrophe für unsere Gesellschaft", schimpft ein Vertreter des Christlichen Gewerkschaftsbundes. Das Modell bringe einen hohen Anteil an "Bürgergeld-Rentnern" mit sich, die nie den Druck hätten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch Joachim Specht von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft ruft: "Das wäre das falsche Signal. Bereits heute beklagen wir, dass es sich viele in der sozialen Hängematte bequem machen."
Doch so eindeutig ist das Althaus-Modell nicht. Was manche als Vorlage für Schmarotzer abtun, erscheint anderen als unsozial. Schließlich würden mit der Einführung eines Bürgergeldes zusätzliche Leistungen wegfallen. "Wenn es kein Wohngeld mehr gibt, kann der Einzelne schlechter dastehen als mit Hartz IV", kritisiert eine Delegierte. Ein ehemaliger Staatssekretär merkt an, dass das Modell nicht mit der christlichen Soziallehre in Einklang zu bringen sei. "Die besagt: Man hilft den Schwachen, nicht den Starken." Das Bürgergeld habe aber eine deutliche Steuerentlastung der Besserverdienenden zur Folge.
Einige CDUler feiern das Modell als "fantastisch", als "richtigen Ansatz". Nicht so die Parteiführung: Bei Fraktionschef Friedbert Pflüger klingt Skepsis durch. "Es ist wichtig, dass wir uns den Problemkiezen zuwenden, der Kinder- und Altersarmut." Bei aller Sympathie für das Bürgergeld zweifle er jedoch an der Umsetzbarkeit. Generalsekretär Frank Henkel spricht von "wechselnden Gefühlen". Am Abend sei er vom Bürgergeld begeistert, am nächsten Morgen erwache er mit Bedenken.
Letztlich einigen sich die Delegierten darauf, dass nun ein Fachausschuss Vorschläge für die Erneuerung der Sozialsysteme ausarbeiten soll. Dieter Althaus wird mit Standing Ovations verabschiedet. Auch die Kritiker applaudieren - so viel christdemokratische Geschlossenheit muss am Ende dann doch wieder sein.
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