Kleiner Parteitag der Grünen: Jede Option prüfen
Der Kleine Parteitag der Grünen hat einstimmig dafür votiert, ohne Koalitionsaussage für die SPD in den Wahlkampf 2009 zu gehen.
BERLIN taz Der kleine Parteitag der Grünen war gerade einmal zwei Stunden alt, da hatten die knapp 80 Delegierten den wichtigsten Programmpunkt bereits konfliktfrei abgehakt. Ohne Gegenstimme, sogar ohne Enthaltung und praktisch ohne Änderungen winkten sie ein Papier des Bundesvorstands durch, das den Kurs für den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr festlegt: Die Grünen wollen ohne klare Koalitionsaussage um die Stimmen der Wähler werben. "Wir machen nicht Lagerpolitik, sondern verfolgen eine Politik der Eigenständigkeit", heißt es in dem Leitantrag zur Positionierung in der veränderten Parteienlandschaft - von den Grünen als "real existierendes" Fünfparteiensystem bezeichnet. Erst bei der Bundesdelegiertenkonferenz im Mai 2009 solle eine "Wahlaussage" getroffen werden.
Angesichts der "schlimmen" Lage der SPD sei es "einleuchtend", dass die Grünen sich derzeit nicht an die Sozialdemokraten binden könnten, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer in seiner Eröffnungsrede. Stattdessen wollten die Grünen ihre inhaltlichen Prioritäten herausarbeiten und dann "jede Option prüfen". Ihr Projekt sei "grün und nicht Bindestrich-grün". Das heiße auch, dass die Grünen nun nicht automatisch auf einen schwarz-grünen Regierungspakt im Bund hinarbeiten wollten, versicherte Bütikofer. Er lobte zwar die Erfolge der Hamburger Grünen bei den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU, dieses Beispiel lasse sich aber nicht einfach auf den Bund übertragen.
Parteichefin Claudia Roth beteuerte, die Grünen würden keineswegs zur "Wischiwaschi-Partei", die sich für jede "Wischiwaschi-Koalition" hergebe. Sie erteilte auch jenen in der Partei eine Absage, die inzwischen einen offiziellen Abschied der Grünen aus dem linken politischen Lager fordern. Die Grünen blieben eine linke Partei, versicherte Roth. Es werde keine Verortung geben "im Stil von: nicht rechts, nicht links, sondern vorne".
Kurz vor dem Delegiertentreffen hatte sich der baden-württembergische Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann in einem Interview dafür ausgesprochen, dass die Grünen eine Partei "jenseits der Wachstumsgläubigkeit der rechten und der Verteilungsgläubigkeit der linken Parteien" werden sollten. "Ich glaube nicht, dass die Republik eine dritte linke Partei braucht", sagte Kretschmann.
Inhaltliche Debatten über den Leitantrag des Parteivorstands fielen am Samstag in Berlin aus. Das dürfte auch daran liegen, dass der Antrag mit seinen luftigen Formulierungen potenziellen Konflikten zwischen der Parteilinken und dem Realoflügel vorbeugt. So fehlt in dem Papier zum Beispiel das Thema Afghanistan. Die Vokabel taucht an keiner Stelle auf. Stattdessen heißt es schwammig, die Grünen wollten sich für eine "verlässliche Außen- und Friedenspolitik" einsetzen. Wer sollte dagegen lauthals protestieren?
Zudem beschloss der kleine Parteitag erste Projekte, mit denen die Grünen möglicherweise in den Wahlkampf 2009 ziehen werden. Gegen die Benachteiligung von Kindern in ärmeren Familien sollen bis 2019 rund 23 Milliarden Euro aus dem heutigen Solidaritätszuschlag in einen "Bildungssoli" fließen. Gegen den Trend "zum Überwachungsstaat" ist eine Bürgerrechtsoffensive geplant. Ein Tempolimit und eine Absage an neue Kohlekraftwerke sollen den Klimaschutz antreiben. In der Debatte bleibt der Vorschlag eines "Ökobonus": Über die Koppelung einer neuen Ökosteuer mit direkten Rückzahlungen an die Bürger wurde kontrovers diskutiert.
Der Berliner Parteilinke Christian Ströbele besuchte den Länderrat in seiner Kreuzberger Nachbarschaft diesmal nur als Beobachter, ohne Stimmrecht. Der Leitantrag sei "ja nicht weiter schädlich", seufzte er nach der Abstimmung. Deshalb hätte er vermutlich auch nicht dagegen votiert, sondern sich nur der Stimme enthalten. Allerdings vermisse er die "starken Beschlüsse", zu denen sich die Partei auf vorangegangenen Parteitagen durchgerungen habe. Geheuer scheint Ströbele der geräuschlose Kursschwenk seiner Partei jedenfalls nicht zu sein. Mit welcher "Leichtigkeit" die Hamburger Grünen nun mit der CDU auf eine gemeinsame Regierung zusteuerten - das sei doch "befremdlich" und "irritierend", wunderte sich Ströbele.
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