Kleine Wortkunde: Der U-Boot-Christ
Viele Christen in Deutschland gehen nur alle 365 Tage in die Kirche: An Weihnachten. Den Rest des Jahres tauchen sie unter.
Fast das ganze Jahr ist er unsichtbar und drückt sich erfolgreich vor Gottes- und Gemeindediensten. Doch zu Weihnachten, zur Hochzeit oder spätestens zur Beerdigung taucht er aus der Tiefe des profanen Alltags auf: Der U-Boot-Christ.
Geprägt wurde der Begriff vom katholischen Prediger Johannes Leppich in den 50er und 60er Jahren, ab den 70ern verbreiteten sich auch Wörter wie Karfreitagschrist, Namenschrist und Taufscheinchrist. Vor allem unter Protestanten ist das Teilzeit-Christentum beliebt: Etwa 75 Prozent der landeskirchlichen Evangelischen in Deutschland sind meist auf Tauchstation.
Das vom griechischen „christós“ (Gesalbter, Messias) abstammende „Christ“ wird für Gläubige erst seit dem 19. Jahrhundert verwendet, da „Christ“ ein Jesus vorbehaltener Ehrentitel war. Zuvor sprach man von Christianern oder Christenmenschen. Der Begriff U-Boot ist seit dem Ersten Weltkrieg in Gebrauch, „Boot“ wurde im 15. Jahrhundert vom mittelniederdeutschen „bot“ entlehnt, welches seinen Ursprung im altenglischen „bat“ (Schiff) hat.
Erste Versuche zum Bau von U-Booten gab es übrigens schon in der Antike mit eingeölter Tierhaut. Also ist U-Boot-Christ eine Doppelung: Eingeölt sind beide schon – vielleicht wurde das Wasser deshalb so gut von Jesus Christus’ Füßen abgestoßen?
Wenn Kirchgänger unter dem Radar durchflutschen, reagieren Pfarrer meist mit einem säuerlichen Lächeln: Denn wer da zu Weihnachten so ergriffen in der ersten Reihe sitzt, wird sich die nächsten 364 Tage nicht so schnell wiedersehen. Aber die Geistlichen lassen sich nichts anmerken, sind sie doch froh, dass die Kirche mal richtig voll ist. Und so sind am Heiligen Abend beide glücklich, dass der andere seine Rolle spielt. Denn ein U-Boot ist besser als ein gesunkenes Schiff.
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