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Kleine Schlappe für große Klappe

Lustig ist das Regierungskriseln: Keine Hamburger Sparpaket-Enthaltung im Bundesrat dank Hoffmann-Riem  ■ Von Silke Mertins

Statt ruhmreich und medienwirksam aus der neuerlichen Hamburger Regierungskrise hervorzugehen, muß die Statt Partei schon vor der Senatsberatung eine Schlappe einstecken: Der von den Grauen in den Senat entsandte Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) will sich heute im Senat durchaus nicht für eine Hamburger Enthaltung in Sachen Sparpaket im Bundesrat einsetzen (siehe Interview rechts). Wegen der sozialen Unausgewogenheit der Bonner Giftliste hält Hoffmann-Riem die Einberufung des Vermittlungsausschusses für angemessen.

Von einer Niederlage möchte Statt-Gruppen-Chef Achim Reichert dennoch nicht reden. Die Position ihres Senators sei „konstruktiv“ und damit „völlig anders als die der SPD“. Zwar führt auch das Sparpaket-„Nein“ der SPD-geführten Bundesrats-Mehrheit geradewegs zum Vermittlungsausschuß. Doch laut Statt kommt es auf die „Intention“ an. Und die ist bei der Statt Partei selbstredend redlicher. Während nämlich die SPD überdeutlich gemacht hätte, daß es ihr um sozialdemokratisches Herzblut und damit um eine „Blockadepolitik“ gehe, suchen Reichert und seine Gefolgschaft laut Eigenwerbung „Lösungen“. Denn SPD-Grundsätze, etwa eine Beibehaltung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, lassen sich mit dem stattlichem Gewissen nicht vereinbaren: „Zur Demokratie gehört keine Blockadepolitik.“

Der als Undemokrat gescholtene Bürgermeister Henning Voscherau hat derweil für die heutige Senatssitzung seine SPD-SenatorInnen aus den Ferien zurückbeordert und die Zeichen auf Sturm gestellt. Auf der anderen Seite sitzt einsam der Justizsenator, denn ob Sparpaket-Euphoriker und Wirschaftssenator Erhard Rittershaus rechtzeitig von seiner Segeltour am Nordkap zurückkommt, ist ungewiß.

Neben sozialdemokratischer Identität wird es aber heute auch ums Geld gehen. Wenn Lohn im Krankheitsfall gesenkt wird, werden viele KleinverdienerInnen und Alleinerziehende bei 20 Prozent Kürzung unter das Existenzminimum fallen und Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe bei der Stadt stellen können.

Wie sich der Widerspruch der Statt-Position – einerseits Haushaltskonsolidierung, andererseits Sparpaket-Befürwortung – erklärt, weiß André Becker aus dem Landesvorstand auch nicht so genau. Da würde er sich irgendwie auf die „Fachkompetenz von Dieter Obermeier“, finanzpolitischer Sprecher, verlassen. „Mehrkosten“ seien aber für Hamburg „nicht vertretbar“.

„Wir inszenieren keine Regierungskrise“, betont Gruppenchef Reichert, auch wenn's keiner glaubt. Die Freude an den Chorgesängen für die Bonner Sparpläne dürfte den Stattianern angesichts Hoffmann-Riems und des öffentlichen Unmuts inzwischen vergangen sein. Um mit dem Eimsbütteler SPD-Chef Heinz Uthmann zu sprechen: „Die Stadt hat Statt satt.“

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