Kleine Machtspiele: SchülerInnen spielen große Politik
Klimadebatte in der Bürgerschaft
Manchmal könnte man glauben, dass allein schon die Räumlichkeiten der bremischen Bürgerschaft bestimmte Verhaltensweisen hervorrufen. Die 100 SchülerInnen, die hier gestern über Klimapolitik debattierten, hatten jedenfalls die Posen und Floskeln ihrer großen Vorbilder schon ganz schön gut drauf. Einige der Oberstufenschüler waren sogar extra im Anzug in das „hohe Haus“ der Bürgerschaft eingezogen.
Zu sieben Themen hatten sich die SchülerInnen aus Berlin, Bremen, Bremerhaven und Hamburg im „Jugendforum im Jahr der Geowissenschaften“ zusammengeschlossen und je ein Thesenpapier aufgestellt. Satzbau und Form der Anträge waren dabei streng geregelt. Auch die Sitzung verlief nach Protokoll: Dem Antrag folgte die Gegenrede und schließlich die offene Debatte. Dabei ging es zum Beispiel um so abstrakte Themen wie Verkehrspolitik in der EU. Die SchülerInnen ließen sich von diesen Vorgaben allerdings nicht abschrecken. Einen Tag lang hatten sie Zeit sich vorzubereiten und selbst zu kleinen Experten zu werden. Begleitet von StudentInnen und richtigen Experten entwickelten sie schließlich ihre Thesen.
„Das ist sauschwierig, die Thesen so zu formulieren, wie man es eigentlich meint“, stellte eine Schülerin nach der ersten Hälfte der Sitzung gestern fest. In dem Antrag ihrer Gruppe hatte das Plenum fast ausschließlich darüber debattiert, was denn jetzt eigentlich in dem Antrag stand.
Insgesamt zeigten die jungen „ParlamentarierInnen für einen Tag“ jedoch, dass sie nicht nur die großen Gesten ihrer Vorbilder imitieren konnten. Die meisten von ihnen kannten sich in ihrem Bereich gut aus und hatten bei ihren Vorschlägen immer auch wirtschaftliche Aspekte wie Arbeitslosigkeit oder die internationale Umsetzbarkeit im Auge. Auch wenn das Schwellenland mal zum „Schwellungsland“ wurde und so mancher in der Hitze der Debatte Steuern und Subventionen verwechselte.
„Hey das war ’ne coole Debatte“, fand am Ende nicht nur eine Schülerin nach der Abschlussdiskussion. Das Debattierfieber war bis dahin auch auf die Zuschauerränge übergesprungen. So gründete Adrian, ein Schüler von der Langen Reihe Walle, spontan eine weitere Gruppe und hielt genau wie die anderen sieben Gruppen ein Schild mit seiner frisch geschaffenen Gruppennummer hoch. Und weil die Debatte in der Bürgerschaft zwar nach strengen Regeln ablief, aber doch nicht ganz so ernst war, durfte auch Adrian seinen Kommentar zum Wassersparen abgeben.
Schade nur, dass die Vorschläge der SchülerInnen nach der gestrigen Debatte still und leise in der Schublade verschwinden werden. Denn vielleicht fände das Projekt „Energy Potention Map“, einer Landkarte, die sämtliche Standorte für die Nutzung von alternativen Energien verzeichnet, im Europäischen Parlament eine genauso überwältigende Mehrheit wie im Jugendforum.
vvo / Foto: Kerstin Rolfes
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