: Kleine Kunst zu festen Zeiten
■ Jeden 2. Mittwoch sind in der Wüsten Stätte die Clowns los / Stimmung bestens
Der eine jongliert bei Hochzeiten und Kindergeburtstagen für 500 Mark pro Auftritt; seine Kollegin macht das gleiche so schlecht, daß sie dort nur mit den im Zorn geworfenen Bestandteilen des kalten Buffetts auf ihre Rechnung käme.
Beide konnte man an einem Abend in der Wüsten Stätte im Schnoor bewundern, und das völlige Unvermögen war fast spannender anzusehen als die perfekt kalkulierte Show. Jongleure, Zauberer, Bauchredner, Sänger, Imitatoren und Witzfiguren treten jeden zweiten Mittwoch im „Variete Wüst“ in der Wüsten Stätte auf, etwa von 22.30 bis 1.00 Uhr: nonstop von einer kleinen Pause abgesehen und vor rund 80 ZuschauerInnen. Die wirklich haarsträubend schlechte Jongleuse wird vom Publikum erstaunlich gut behandelt; die meisten Auftritte sind witzig und professionell. Ein bis zwei Talente kommen von außerhalb: ein komischer Zauberer aus Hamburg oder ein Rückwärtssprecher, der mit einem zurücklaufenden Tonband beweist, daß er auswendig und hintereinanderweg zwanzig vom Publikum genannte Begriffe falschherum sagen kann. Aber alle anderen Performer gehören zur Bremer Variete-Szene, die erstaunlich üppig und komisch spießt. Die Gruppe „Flop“ oder „weiß ich echt nich“ (oder wie sie sich sonst noch nennen) erklären mit aberwitzigem Gekraxel auf einer Leiter ihre Jogliertricks und schummeln virtous bei ihrer Tombola — was allerdings dadurch etwas erleichtert wird, daß ein Künstler die Lostrommel verkörpert.
Frank Rossi heißt der kecke Conferencier in den kurzen Szenen zwischen den einzelnen Auftritten, und sein Partner Tom Boja stellt sich so überzeugend dämlich an, daß man sich fragt, ob er vielleicht wirklich nicht so ganz ... Nach der Pause gibt es den Off- Teil, bei dem jeder, der sich traut, auf die Bühne kommen und machen darf, was er will. Auch der Rest des Programms ist sehr frei konzipiert: die einzelnen Künstler unterbrechen oder helfen einander. Es ist mehr wie eine Jam- Session unter Jazzmusikern: Man kann die neuen Tricks ausprobieren, und im Publikum sehen auch die Kollegen zu; hier fällt keiner richtig durch, aber jeder gibt gerade deshalb sein Bestes. Am ersten Weihnachtstag lief die 23. Show — dem Datum angemessen mit Blockflötenmusik, kleinen Überraschungen in den Walnüssen und einer Playbackparodie von „Zwei Spuren im Schnee“. Das Kellergewölbe war überfüllt, viele kamen gar nicht mehr hinein. Wilfried Hippen
Wieder am 8. und 22. 1. ab 22.00 Uhr in der WüsteStätte im Schnoor.
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