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Kleine Klappe nach Riesenschlappe

Nach der Wahlniederlage: Bündnisgrüne im Osten wollen sich „profilieren“ und „professionalisieren“ / Landesparteitage in Sachsen und Thüringen  ■ Von Klaus Peter Klingelschmitt und Detlef Krell

Erfurt/Görlitz (taz) – Der Ort strotzte vor Symbolik. In einer abbruchreifen Erfurter Schule trafen sich am Samstag rund 150 Bündnisgrüne aus Thüringen zur Landesmitgliederversammlung: Nachsitzen nach der „4,5-Prozent-Riesenschlappe“ (Spitzenkandidatin Christine Grabe) bei den Landtagswahlen. Daß der neunköpfige Landesvorstand noch vor der Debatte über die Niederlage geschlossen zurücktrat, war für die Mehrheit der Mitglieder, die sich in der Debatte zu Wort meldeten, eine „Selbstverständlichkeit“. Landtagsmitglied Olaf Möller hatte noch in der Wahlnacht sowohl der Spitzenkandidatin Grabe als auch der Bundestagsabgeordneten Vera Wollenberger „mangelnde politische Durchschlagskraft und unprofessionelles Verhalten“ vorgeworfen. Wollenberger schlug am Samstag in Erfurt zurück, verordnete Möller eine „Denkpause“ und bezeichnete sich selbst als „Flaggschiff“ der Bündnisgrünen in Thüringen. „Ich kann keine Denunzianten gebrauchen, die hinter meinem Rücken die Messer wetzen.“

Doch der bereits aus der Bonner Parteizentrale für seine Äußerungen abgemahnte Möller ist für nicht wenige Bündnisgrüne in Thüringen der politische Kopf der Partei, der nicht ohne Not abgeschlagen werden sollte. Möller entschuldigte sich vor dem Auditorium für den „rüden Ton“ und forderte danach eine „Reformation“ der Partei an Haupt und Gliedern und redete einer Professionalisierung des Landesverbandes das Wort.

Am Ende der stundenlangen Redeschlacht verständigte man sich auf die Bildung einer Kommission, die bis zum Sonderparteitag diverse Vorschläge zur Finanzierung der Arbeit des Landesverbandes, der nun nicht mehr über die Mittel aus der Fraktionskasse verfügen kann, erarbeiten soll. Die Parole für die Zukunft hatte zuvor der frühere Landtagsabgeordnete Gerhard Wien ausgegeben: „Die Katastrophe als Chance nutzen.“

Auch Sachsens Bündnisgrüne sind ernüchtert. Die schwarz-grünen Haselnußzweige rauschen nicht mehr – ab jetzt kann es nur noch besser werden. Ein „Richtungsparteitag“ wurde die Landesversammlung am Wochenende in Görlitz nicht, der Bedarf an Hauskrach war gedeckt, jetzt stand sachliche Analyse auf der Tagesordnung.

War beim ersten Zugriff nach dem Landtagswahldebakel nur die unglückliche Schwarz-Grün- Debatte zur Hand, ging diesmal die Suche nach Ursachen für die enttäuschenden Wahlergebnisse doch weiter. Als ein „unbequemes Ergebnis unbequemer Fragen“ bewertete der Schwarz- Grün-Stratege und parlamentarische Geschäftsführer der neuen Bundestagsfraktion, Werner Schulz, das Wählerverhalten nicht nur in Sachsen.

Auch Landesgeschäftsführer Hubertus Grass warnte die Partei davor, sich in die „Nachbarschaftshilfe“ zurückzuziehen und, analog der PDS, zu glauben, damit „neue Wählerpotentiale“ zu erschließen: „Themen, die jetzt nur von 4 Prozent der Bevölkerung für relevant gehalten werden, sind trotzdem gesellschaftlich relevant.“

Mit dem Dresdner Karl-Heinz Gerstenberg und der Leipzigerin Gerda Viezenz sind entschiedene KritikerInnen des Schwarz-Grün-Kurses zu neuen LandessprecherInnen gewählt worden. Diese Wahl belegt jedoch weniger einen Richtungsentscheid im stärksten ostdeutschen Landesverband der Bündnisgrünen als die längst fällige, linke Profilierung gegenüber der PDS-Konkurrenz.

Karl-Heinz Gerstenberg (42), Finanzexperte der bisherigen Landtagsfraktion, wird die Partei mit landespolitischen Themen herausfordern, Gerda Viezenz (49) bringt Erfahrungen ihrer außerparlamentarischen und kommunalpolitischen Arbeit in den neuen Vorstand ein. Beide waren mit aussichtsreichen Listenplätzen zur letzten Landtagswahl angetreten.

Der Neustart nach dem Rausschmiß ist so hoffnungslos nicht. Zwei von fünf ostdeutschen Bundestagsabgeordneten kommen aus Sachsen.

Antje Rush machte den Delegierten Mut: „Diese Fraktion weiß, was sie will.“ Werner Schulz frohlockte: „Wir können diese Regierung vor uns hertreiben“ und „deutlich machen, wie trist Landtage mit nur drei Parteien sind.“ Beifall gab es für außerparlamentarische Erfolge. Freiberger Bündnisgrüne konnten mit einem Bürgerentscheid die Privatisierung des Kreiskrankenhauses verhindern. In Zittau stimmten am Sonntag der Bundestagswahl 78 Prozent gegen die Freigabe des Marktplatzes als Parkplatz. Die Wahlbeteiligung war höher als die zur Bundestagswahl. Für dieses Begehren hatte eine Initiative gekämpft, die von den Zittauer Bündnisgrünen unterstützt wurde.

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