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Kleine Bombe bei Mölln-Prozeß

■ Angeklagter durch Brandgutachten ein Stück weit entlastet

Schleswig (taz) – Ein langweiliger 27. Prozeßtag? So sah es aus, als am Donnerstag gegen die mutmaßlichen Mörder von Mölln verhandelt wurde. Der Brandsachverständige referierte mehr als sieben Stunden vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Schleswig. Am späten Nachmittag platzte dann eine kleine Bombe. Leise, ganz nebenbei und von den ProzeßbeobachterInnen fast unbemerkt. Und trotzdem wird dieses Detail das Gericht noch schwer beschäftigen.

Der Angeklagte Lars Christiansen hatte in seinem – später zurückgezogenen – Geständnis über den Anschlag in der Mühlenstraße 9 berichtet: „Ich habe drei Molotowcocktails aus dem Auto genommen. Zwei habe ich in die Fenster an der rechten Hausseite geworfen, mit dem dritten bin ich ins Haus reingegangen und habe ihn gegen die Zwischentür im unteren Treppenflur geworfen.“ Dazu sagt der Sachverständige: Nein, das kann nicht sein!

Die Beweisführung gegen die Angeklagten Christiansen und Michael Peters steht auf wackligen Füßen. Keine Zeugenaussage, kein Indiz kann die Beschuldigten so schwer belasten, wie ihre eigenen Geständnisse. Die haben sie zwar widerrufen – trotzdem werden sie vom Gericht zur Urteilsfindung herangezogen werden. Vorausgesetzt, die Angaben in den Geständnissen decken sich mit dem Tathergang. Als Lars Christiansen seine Beichte kassierte behauptete er, er habe sich alles nur ausgedacht. Kann dies durch starke Abweichungen zwischen seiner Geschichte und dem tatsächlichen Geschehen aufgezeigt werden, sieht es schlecht aus für eine Verurteilung.

Solch eine Divergenz wird durch das Gutachten des Brandsachverständigen deutlich. Chemiker Krönke geht zwar davon aus, daß das Feuer durch eine schnell entflammbare Flüssigkeit im Treppenhaus ausgebrochen ist. Daß Brandsätze gegen die rechte Hausseite oder in eines der rechten Fenster geflogen sind, hält er jedoch für ausgeschlossen.

Die Bundesanwaltschaft, die bei dem Verfahren als Ankläger auftritt, versuchte es mit einem Trick. Vielleicht, spekulierte Staatsanwalt Ströber, habe der Angeklagte einfach links und rechts verwechselt. Denn auf die linke Hausseite sind tatsächlich Brandsätze geflogen. Doch wie wacklig diese Vermutung ist, war Ströber wohl bewußt. Nur dem Verteidiger von Christiansen schien die Relevanz noch nicht klar. Mit keinem Wort haute er in die sich für seinen Mandanten eröffnende Bresche. Der Prozeß wird am Mittwoch fortgesetzt, der Brandsachverständige ist erneut geladen. Bascha Mika

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