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Klein, aber offensiv

Fußballtrainer Horst Steffen übernahm den Provinzklub SV Elversberg in der Regionalliga. Nun kann der Aufstieg in die erste Liga gelingen. Wie geht das?

Sein größter Erfolg: Steffen schafft es am letzten Spieltag auf Schalke mit Elversberg in die Relegation Foto: Fabian Kleer/imago

Von Andreas Morbach

Horst Steffen ist seit 22 Jahren Fußballtrainer, und der Mann vom Niederrhein hat einiges erlebt: zum Einstieg in der heimatlichen Umgebung zum Beispiel den Aufstieg mit dem SC Kapellen-Erft in die Verbandsliga. Es folgten Stationen als Nachwuchscoach in Duisburg und Mönchengladbach, gut zwei Jahre bei den Stuttgarter Kickers sowie zwei kurze Engagements in Münster (neun Monate) und Chemnitz (sechs Monate). Anschließend ging es quer durchs Land an die französische Grenze – für Steffen war es zugleich der Schlussstrich unter die berufsbedingte Wanderschaft.

Seit Oktober 2018 werkelt der gelernte Sozialversicherungsfachangestellte mit viel Geduld und großem Einfühlungsvermögen am sportlichen Geschick der SV Elversberg. In Kooperation mit Sportdirektor Nils-Ole Book, der bevorzugt junge, talentierte Spieler ausleiht, die sich bei größeren Klubs zuvor nicht durchsetzen konnten, glückte so 2022 der Aufstieg in die 3. Liga. Zwölf Monate später ging es für den Klub aus der 13.000-Seelen-Gemeinde Spiesen-Elversberg gleich noch mal eine Etage höher. Und nun, nachdem weitere 24 Monate vergangen sind, könnte „die Elv“ den ganz großen Coup landen.

Am Donnerstag steigt in Heidenheim Teil eins der nervenaufreibenden Bundesliga-Relegation. Wobei Horst Steffen von Anspannung und Gewinnen-Müssen nichts wissen will. „Ich habe für mich vor einiger Zeit beschlossen, dass ich das ganze Theater mit dem Druck lasse. Ich mache kein Drama mehr“, sagt der Sohn des früheren deutschen Nationalspielers Bernhard Steffen (zwei Länderspiele) mit der Erfahrung aus 56 Lebensjahren, vier Stationen als Fußballprofi (davon zweimal Uerdingen) und den diversen Trainerstellen.

Den kleinen Vorteil, als das unterklassige Team die entscheidende zweite Partie gegen Heidenheim am nächsten Montag im eigenen Stadion an der Kaiserlinde austragen zu dürfen, hat sich Elversberg mit attraktivem Angriffsfußball erstritten. Steffens Spielidee basiert auf viel Ballbesitz, mit entsprechend intensivem Pressing und starker körperlicher Präsenz. 15 verschiedene Spieler haben in der abgelaufenen Saison für Elversberg getroffen, 64 Tore sind nach Aufsteiger Hamburg der zweitbeste Wert in der Zweiten Liga.

Den Kollegen Frank Schmidt, in Heidenheim seit 18 Jahren im Amt, kennt Steffen noch aus gemeinsamen Drittligazeiten. Im März 2014, erinnert der SVE-Coach an seine Zeit bei den Stuttgarter Kickers, habe ihm Schmidt nach einem 3:3 gegen dessen Heidenheimer bei der Pressekonferenz zur Seite gestanden. Die häufigen Torwartwechsel bei den Schwaben seien dort damals „ein kleiner Running Gag“ gewesen, erzählt Steffen. „Und Frank meinte dann, dass sie in Heidenheim an diesem Tag auch drei Tore kassiert hatten, obwohl sie nicht ständig wechselten.“

Die Konstanz auf dem Trainerposten, beim Team von der Ostalb wie beim Herausforderer aus der saarländischen Provinz, hat Heidenheims Vorstandschef Holger Sanwald als Parallele bereits ausgemacht. Auch das beschauliche Umfeld beider Klubs ist vergleichbar, ebenso wie der Mix aus Underdoghaltung und Realitätssinn, den Schmidt und Steffen an den Tag legen.

Steffens Spielidee basiert auf möglichst viel Ballbesitz, intensivem Pressing und starker körperlicher Präsenz

Das Bewusstsein, trotz des Schwungs aus einer erfolgreichen Saison nicht als Favorit in die Relegation zu gehen, klingt bei Steffen auf jeden Fall durch. Union Berlin war 2019 gegen Stuttgart schließlich der letzte Zweitligist, der sich in den Duellen mit den Bundesligisten durchsetzen konnte. „Wenn man sich die jüngste Bilanz anschaut, werde ich jetzt nicht mit einer Chance von 50:50 kommen“, sagt deshalb der Coach der Elversberger – der aber auch dem offensiven Part seiner Persönlichkeit gerne mal freien Lauf lässt.

So zum Beispiel im Herbst 2022 im Gespräch mit der taz, als er, damals Coach eines Drittligaaufsteigers, auf die Frage, ob die Bundesliga auch als Trainer sein Ziel sei, antwortete: „Warum nicht? Ich finde, wenn die Herausforderungen steigen, steigt auch der Anspruch an einen selbst. Ich wäre sehr gespannt, wie ich das machen würde.“ Die Auflösung dieser Frage könnte es dann ab August geben – zumal Horst Steffen aktuell nicht nur die Chance auf den Sensationsaufstieg mit Elversberg hat, sondern auch als Trainerkandidat beim frisch ins Oberhaus zurückgekehrten 1. FC Köln gilt.

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