: Klein, aber emotional
Oft sind es eher Kleinigkeiten, die Erbstreitigkeiten auslösen. Ein Vermächtnis und Präzision können dem vorbeugen
Von Kristina Simons
Manchmal steckt der Teufel im Detail: Wer welche Vermögenswerte bekommen soll, haben die Eltern in ihrem Testament zwar ganz klar geregelt. Aber was ist mit den vielen kleineren Gegenständen, die vielleicht keinen besonderen finanziellen, aber einen großen emotionalen Wert haben? Das Familienbesteck, der alte Flurschrank, die Lampe, die immer im Wohnzimmer stand? Gerade diese vermeintlichen Kleinigkeiten bergen erstaunlich viel Konfliktpotenzial. Sie können Geschwisterbeziehungen auf eine harte Probe stellen, die Verteilung des Erbes über Jahre blockieren, im schlimmsten Fall landet der Streit darüber vor Gericht. Dabei liegt die Lösung so nah. „Das Problem ist, dass viele den Unterschied zwischen Erben und Vermächtnisnehmern nicht kennen“, sagt die Nachlassverwalterin und zertifizierte Testamentsvollstreckerin Annette Thewes.
Wenn jemand stirbt, gibt es immer einen oder mehrere Erben. Wer das ist, regelt entweder ein Testament oder die gesetzliche Erbfolge. Die Erbinnen und Erben treten automatisch die Rechtsnachfolge des Erblassers an. „Das heißt, sie müssen sich auch um alles kümmern, alle Rechnungen bezahlen, die Schulden der verstorbenen Person übernehmen, die Beisetzung organisieren“, erläutert Thewes.
Jeder Erbin und jedem Erben steht ein bestimmter Anteil des gesamten Erbes zu. Erbt beispielsweise der Sohn ein Viertel des Nachlasses, so hat er Anspruch auf ein Viertel der vererbten Immobilie, auf ein Viertel des hinterlassenen Aktienpakets. Doch was soll er mit einem Viertel des Silberbestecks anfangen?
Erblasser können entweder darauf hoffen, dass sich ihre Erbinnen und Erben über diese vielen kleineren Gegenstände aus dem Nachlass gütlich einigen werden. Besser ist es allerdings, sie legen in ihrem Testament fest, wer was bekommen soll. Man spricht hier von einem Vermächtnis, die Erben sind dann zusätzlich Vermächtnisnehmer. „In einem Vermächtnis können Erblasser ganz klar festlegen, wer das Silberbesteck, wer den Schmuck und wer den antiken Schrank bekommt“, sagt Thewes. Vermächtnisnehmer haben dabei anders als Erben keine rechtlichen Verpflichtungen, aber auch keine über die vermachten Gegenstände hinausgehenden Ansprüche. Deswegen eignet sich ein Vermächtnis besonders gut dazu, auch anderen als dem Partner und den Kindern etwas aus dem Nachlass zukommen zu lassen, beispielsweise einer Hilfsorganisation oder einem guten Freund.
Soweit die Pflichtteile in der Erbschaft nicht angefasst werden, haben Erblasserinnen und Erblasser hier eine gewisse Freiheit. Ein Vermächtnis sei eine wunderbare Möglichkeit, das abzubilden, was einem im Leben wichtig war, meint Annette Thewes. So, wie man gelebt habe, könne man damit auch den eigenen Nachlass verteilen. Ein Testament mit Vermächtnissen sollte die vollständigen Namen und klare Bezeichnungen der Gegenstände beinhalten. „Man muss das Testament so formulieren, dass alle Beteiligten es auch umsetzen können.“ Die Erben sind dann verpflichtet, die vermachten Gegenstände herauszugeben.
Ein Vermächtnis eignet sich aber nicht nur, um Streit innerhalb der Erbengemeinschaft zu vermeiden. Es ist auch eine gute Möglichkeit, um beispielsweise eine gute Freundin oder eine Hilfsorganisation mit einem Teil des Nachlasses zu bedenken. Thewes empfiehlt Erblassern, gut zu überlegen, wer im Testament als Vermächtnisnehmer und wer tatsächlich als Erbe benannt wird. Ist die Person oder die Gruppe, die als Erbe oder Erbin in die Rechtsnachfolge eintreten soll, überhaupt in der Lage, den Nachlass abzuwickeln? Denn egal, ob es der Zutritt zum Haus des Erblassers ist, die Übergabe eines Schlüssels zu einem Schließfach oder die Unterschrift unter einer Überweisung – für sämtliche Vorgänge muss die Erbengemeinschaft im Prinzip vollständig anwesend sein.
Daher kann im Testament auch ein Testamentsvollstrecker benannt werden. Diese Person entscheidet dann auch über alle Gegenstände, die nicht explizit im Testament genannt werden. Bei Streitigkeiten fungiert sie als Schiedsrichter. Diese Aufgabe kann eine Person aus dem Kreis der Erben, beispielsweise eine bestimmte Schwester, übernehmen. Doch gerade in Familien, in denen Konflikte absehbar sind, ist diese Lösung nur begrenzt zu empfehlen. „Das kann natürlich die Konkurrenz zwischen den Geschwistern befeuern“, gibt Thewes zu bedenken. „Um Streit zu vermeiden, bespricht man das am besten zu Lebzeiten mit den Betreffenden. Oder man beauftragt einen externen Testamentsvollstrecker, der im Konfliktfall das letzte Wort hat.“
Grundsätzlich sollte ein Testament gut durchdacht sein – einschließlich der möglichen Konflikte unter den Erbinnen und Erben – und dann gut formuliert werden: „Der letzte Wunsch ist etwas so Existenzielles, weil ich über alles verfüge, was ich im Leben geschaffen habe“, sagt Thewes. „Je präziser ein Testament formuliert ist, desto besser beugt man Streitigkeiten vor.“
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