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■ Klaus Staeck hat versucht, mit dem „Spiegel“ abzurechnenDeutsche Fortsetzungsgeschichte

Klaus Staeck hat ein Plakat gemacht. Das tut er manchmal, seit bestimmt dreißig Jahren. Dieses hier paßt ganz genau in diese Zeit: ein deutscher linker Intellektueller der 68er Generation und sein heimlicher Antisemitismus.

Eigentlich will das Plakat eine Abrechnung mit dem Spiegel sein. Aber eigentlich ist es das nicht. Es zeigt den Kritiker Marcel Reich-Ranicki auf dem zum Fernsehformat zusammengeschrumpften Spiegel- Titel, wie er das Buch von Günter Grass „Ein weites Feld“ in der Mitte durchgerissen hat. Klaus Staeck hat darüber geschrieben: „Vom Umgang mit Büchern“. Und darunter: „Eine deutsche Fortsetzungsgeschichte“. Beide Sätze in blutroter, altdeutscher Frakturschrift, die Staeck schon immer gern benutzt hat. Diesmal mit Herzblut geschrieben und nicht mit Ironie. Will uns der Plakateur sagen, daß ein Buch des deutschen Schriftstellers Günter Grass von dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki verrissen wurde? Nein. Was wäre daran aufregend? Daß ein prominenter Rezensent einen prominenten Autor fragt, wieso der plötzlich nicht mehr wisse, wie ein Roman geschrieben werde?

Klaus Staeck hat den Spiegel-Titel mit einem der bekanntesten Juden in Deutschland gesehen und eine bitterböse Pointe gewittert: Die deutschen Nationalsozialisten verbrannten die Bücher deutscher Juden und Linksintellektueller, und nun hat Klaus Staeck einen deutschen Juden dabei erwischt, wie er das Buch eines deutschen Dichters „lustvoll zerreißt“. So heißt es in dem von Staeck geschriebenen Begleittext zum Plakat: „Wer offenbar inzwischen jedes Gespür dafür verloren hat, welch unheilvolle Assoziationen ein solches Bild bei vielen Betrachtern auslösen muß, sollte sich einen anderen Job suchen, in dem er weniger Unheil anrichten kann.“

Das Plakat ist in sich ein perfider Mißbrauch und darin selbst Teil der von Staeck beschworenen „deutschen Fortsetzungsgeschichte“. Es greift vordergründig den Spiegel an, der tatsächlich der Bild-Zeitung immer ähnlicher wird, und führt dazu den intellektuellen Juden vor als den eigentlichen Zerstörer deutschen Gedankenguts.

Wahrscheinlich wird Klaus Staeck das Buch von Günter Grass nicht einmal gelesen oder immer noch nicht weitergelesen haben. Statt dessen hat er das Plakat gemacht. Viola Roggenkamp

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