: Klasse statt Masse
■ Zum 3. Bremer „Sommerpokal-Turnier“ des TV Eiche Horn überließen die Veranstalter ihren Gästen die Siegerränge vor knapp 400 Zuschauern
Armes Bremen, armes Bremer Sportpublikum. Was muß denn noch alles in dieser Stadt passieren, damit qualitativ hochwertige Sportveranstaltungen ein angemessenes ZuschauerInnen-Interesse erfahren? Lag es an Jean Harlow im Fernsehen oder gar am Bremen-Marathon? Vielleicht
zog es die Mehrheit der Volleyball-Begeisterten am Wochenende vor, selbst den weißen Ball in die Hand zu nehmen oder war etwa der Weg in die Uni-Halle zu weit?
Die sportliche Konkurrenz des Fahrturniers der Kategorie B im Schimmelhof, die norddeutschen Seniorenmeisterschaften im Gewichtheben oder die Billard -Oberliga der männlichen B-Jugend wird doch, bei allem nötigen Respekt vor diesen Veranstaltungen, nicht allzuviele Menschen davon abgehalten haben, das 3. Internationale Sommerturnier des TV Eiche Horn zu besuchen.
Denn für Bremer Verhältnise war das Teilnehmerfeld des Zweitligaaufsteigers allemal erlesen. Auch wenn einige mit Namen wie PPS Helsinki oder Mepal Orion nicht besonders viel anfangen konnten, so genügte ein kurzer Blick in die Ankündigungen, um festzustellen, daß die Veranstalter des schwarz-gelben Turnvereins aus Horn hochklassige
Herren-Mannschaften zu ihrem Zwei-Tage-Meeting eingeladen hatten. Nationalspieler aller Männer Länder tummelten sich auf zwei Spielfeldern im zum Holstenturm umfunktionierten Sportbereich der Universität.
Abgesehen von dieser auswärtigen Brauereipräsenz hielt sich die kommerzielle Werbung erfreulich im Rahmen. Denn wer assoziiert hier bei uns schon mit Mannschaftsnamen wie Detach Animo und Brother Martinus Werbeträger aus dem High-Tech-Bereich, erinnert das letztgenannte Team doch eher an eine Betriebssportgruppe der Evangelischen Kirche Westfrieslands.
Die Mannschaft des holländischen Rekordnationalspielers Bert Goedkopp, der mittlerweile die Trainerfunktion übernommen hat, wies auch zwei interessante Akteure auf, die allein durch ihr Äußeres viel Beachtung bei den etwa 400 BesucherInnen genossen. Der nur 1,70 m große Zuspieler (das Publikum nannte ihn angesichts der ihn umgebenden Hühnen liebevoll „Schlüsselanhänger“) und sein stark an den Fußballer Ruud Gullit erinnernder Mittelangreifer ernteten ein ums andere Mal bewundernde Kommentare des Publikums. Doch auch Frank Winkler von Fortuna Bonn entsprach dem Image des bärigen Angreifers, genauso wie der Hamburger Hauke Braak seine Variabilität unter Beweis stellte.
Es war zwar nicht zu übersehen, daß das Volleyball-Meeting in Horn in erster Linie der Saison-Vorbereitung der Teilnehmer diente, weshalb hier und da die Leistungen noch nicht die Hundert-Prozent-Marke erreichten. Aber das gezeigte Niveau übertraf bei weitem alles, was im Männerbereich in den letzten Jahren in Bremen geboten wurde.
Bruno Skruodies, Ex-Natio nalcoach und seit Jahrzehnten Experte der internationalen Volleyballszene, sprach dann auch von einem „Schatz im Bremer Sportgeschehen. Hier wurde modernstes europäisches Volleyballspiel geboten.“ Im Vergleich zu früheren Jahren lobte er „das hochklassige Kombinationsspiel“ der Erstligisten aus Holland, Dänemark, Finnland und der BRD. Doch auch er beklagte sich heftig über den mangelnden Zuspruch des Bremer Publikums.
So zeigte dann auch Eike Koschorrek, der die beiden Tage flüssig und ohne Komplikationen organisiert hatte, wenig Motivation, das gleiche im nächsten Jahr noch einmal auf die Beine zu stellen: „Schließlich mache ich das alles für die Sportinteressierten in Bremen und nicht für mich oder die Presse.“
Im vorgezogenen Finale (die Gäste aus Finnland mußten ihre Fähre erreichen) standen sich dann die Vertreter des Polizeisportvereins Helsinki und die Pokalverteidiger des neuformierten Hamburger SV gegenüber. Der mit Junioren aus dem Voleyball-Internat angetretene Deutsche Meister schaffte dabei mit einigem Glück den 2:2 Satzausgleich. Damit kam es, für viele ungewohnt, zum neugeschaffenen Tie-Break im Entscheidungssatz. Dabei zählt jeder Punkt, ganz gleich, ob ein Team an der Angabe ist, oder nicht. Nach einem turbulentem Verlauf, bei dem der über alle Maßen unsichere und selbstgefällige erste Schiedsrichter ein ums andere Mal den Unmut der Spieler auf sich zog, kam es dann zum Spielstand von 16:16. Da beim 17. Punkt im letzten Satz auf alle Fälle der Sieger feststeht, war der Höhepunkt der Spannung dramaturgisch zielsicher erreicht. Angabe, Annahme und ein mißglückter Angriff der Nordländer machten den entscheidenden Punkt des HSV möglich. Nach dem ansprechenden Finale mußte die Pokalübergabe allerdings ins Wasser fallen. Der Triumphpott war den letztjährigen Wanderpokal-Gewinnern aus Hamburg verschütt gegangen. Hoffentlich heißt der neue, sollte es überhaupt einen geben, nicht Holsten-Pokal.
Mins Minssen
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