Klamme Gemeinde sinnt auf kreative Lösungen: Eintritt zahlen für die Kirche
Die Lübecker St. Marien-Kirche verlangt von Besuchergruppen eine Gebühr - auch von Schulklassen. Damit will sie fehlende Spenden ausgleichen
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Bei einem Besuch der Lübecker St. Marien-Kirche werden Schulklassen mit einer Eintrittsgebühr von zehn Euro zur Kasse gebeten. Die Gebühr wurde zwar schon im April dieses Jahres eingeführt - erst jetzt jedoch löste die Beschwerde einer Lehrerin eine Diskussion in der Öffentlichkeit darüber aus.
Ursache für die Idee der Pflichtabgabe war nach Auskunft der Gemeinde ein massiver Einbruch bei den Spendengeldern von 133.000 Euro im Jahr 2006 sowie um jeweils rund 25.000 Euro in den Jahren 2007 und 2008. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Gebäudeinstandsetzung um 20 Prozent. Um einen erwarteten weiteren Ausfall in Zukunft aufzufangen, beschloss daher der Vorstand der Lübecker Kirchengemeinde im März, für einen Kirchenrundgang eine Gebühr von allen geführten Gruppen zu erheben.
Neben der Pauschalsumme, die für Schulklassen festgesetzt wurde, bedeutet dies eine Gebühr von zwei Euro pro Teilnehmer einer Reisegruppe. Die Regelung ist als Pilotprojekt gedacht, das während der Sommersaison ausprobiert werden soll. Im Anschluss sollen die Ergebnisse ausgewertet werden. Danach will die Kirche über eine Fortführung des Projekts entscheiden.
Historische Bauten wie St. Marien, die als die älteste gotische Backsteinkirche Norddeutschlands gilt, sind in der Regel mit hohen laufenden Kosten belastet. Dazu gehören vor allem Ausgaben für die Heizung, das Personal, laufend anfallende Restaurierungsarbeiten und die Reinigung. Da die Kirchensteuer nicht ausreichen würde, um den hohen Bedarf zu decken, greifen die Kirchen auf Spendengelder als eine der Haupteinnahmequellen zurück. Die aktuelle Wirtschaftskrise macht sich jedoch in einer zurückgehenden Spendenbereitschaft bemerkbar.
Die Gemeinde in Lübeck orientiert sich nun bei ihrer Problemlösung an vergleichbaren kirchlichen Bauten in Europa, die ebenfalls von vielen Touristen besucht werden. Anderswo gibt es bereits Modelle, nach denen Gebühren für das Betreten der Gruft, den Kirchturm oder beim Eintritt mit einer geführten Gruppe verlangt werden. Für St. Marien wäre das eine Chance: Die Kirche wird von einer Million Menschen im Jahr besucht.
Der Beschluss des Gemeindevorstands hat innerhalb der Kirche viel Kritik hervorgerufen. Pastor Thomas Kärst, Pressesprecher der Bischofskanzlei Hamburg und Lübeck, stört sich vor allem daran, dass Gebühren von Schulklassen erhoben werden. "Wenn man das Ziel hat, junge Leute an die Kirche heranzuführen, ist es kontraproduktiv Eintrittsgeld zu verlangen", findet er. Dies gebe es in keiner Kirche, die er kenne. Wenn das Spendenaufkommen zurückgehe, sollten sich die Gemeinden um kreative Lösungen bemühen. Zwar gebe es Gebühren für geführte Gruppen auch an anderen Kirchen, aber dies könne nur ein letzter Schritt sein.
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