Klagenfurt heuer: Willkommen im Club
■ Meet and Greet zur Eröffnung des Bachmann-Lesens
Der Mond scheint hell über Klagenfurt, und vor den ersten Dichtungen ist die Stimmung unter den wohl 250 Literaturschaffenden, die zum Eröffnungsabend des 23. Bachmann-Wettbewerbs gekommen sind, glänzend. Händeschütteln, Anekdotentauschen, Juroren begrüßen die von ihnen protegierten Wettbewerbskandidaten herzlich.
Der Berliner Vortragskünstler und Tresendichter Thomas Kapielski hat es bis an das Stehtischchen der Zeit gebracht, das von Ulrich Greiner und Iris Radisch recht bedeutend geschmückt ist. Der frisch gekürte Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider kommt aus dem Applaudieren gar nicht mehr heraus, zumindest solange die Kameras auf seine Erscheinung gerichtet sind.
„Hettche, setz dich und trink!“ wird der rundliche Juror und Schriftsteller Thomas Hettche unsanft an seinen Biertisch zurückgerufen, als er sich gerade zum vierten Mal auf den Weg zum Buffet machen wollte.
Willkommen, willkommen. Der Literaturbetrieb feiert sich selbst und wählt einmal im Jahr in Klagenfurt aus, wer neu aufgenommen wird in den Club der gekannten Dichter. Franzobel, der hier vor drei Jahren gewonnen hatte, hat einmal gestanden, daß er noch nie einen Preis gewonnen habe, wenn er unter den Auslobern nicht wenigstens zwei oder drei der Juroren gut gekannt habe.
Ein Dichter aus dem Burgenland, der recht verlassen an einem Stehtischchen lehnt, erzählt, daß er extra angeschrieben wurde, im Vorfeld, er solle doch einen Text einschicken, bitte. Der Mann schickte einen „recht starken Text“, wie er sagt, und bekam schnell, sehr schnell eine Absage.
Jetzt ist er gekommen, um mal zu sehen, wie das hier so funktioniert in Klagenfurt. Er hat einen der Juroren gefragt, wie das komme, erst angefragt werden und dann so prompt und formlos abgelehnt zu werden. Der Juror erklärt väterlich, er habe von den etwa dreihundert Einsendungen ohnehin keine gelesen. „Mein Mann stand von vorneherein fest. Was soll ich mich da groß mit Manuskripten quälen.“
Da hat er recht. Die Durchlässigkeit des Literaturbetriebs ist auch bei dem ehemaligen Talentspähwettbewerb der deutschen Literatur eher gering geworden. Volker Weidermann
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