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Klagen aus dem Bademantel

■ Gesundheitssenatorin Gaertner ergreift Partei für die Interessen der Kranken: Eine PatientInnenvertretung soll bei Problemen helfen.

Mit etwas Glück bekommt Bremen als erstes Bundesland eine/n hauptamtliche/n PatientenvertreterIn für die Krankenhäuser. So will es der Entwurf des Landeskrankenhausgesetzes von Gesundheitssenatorin Gaertner. Der Vorschlag findet durchaus Beifall in den Arzt- und Verwaltungsetagen der Krankenhäuser. Allein die Krankenkassen sträuben sich, denn sie sollen das patientInnenfreundliche Projekt finanzieren.

Der Entwurf Gaertners moniert, daß die bislang in der BRD eingeführten PatientenfürsprecherInnen und Beschwerdestellen in aller Regel ehrenamtlich arbeiten. Die Praxis zeige, daß die dadurch bedingte mangelnde Kompetenz der FürsprecherInnen sich negativ auf die Durchsetzung von Patienteninteressen auswirkt. Die guten Erfahrungen, wie sie etwa Österreich mit einem hauptamtlichen Patientenanwalt gemacht hat, sollen zukünftig auch in Bremen wirksam werden.

Die für sechs Jahre von der Deputation gewählte Vertreterin soll „die Patienten möglichst noch während des Krankenhausaufenthaltes betreuen.“ Sie soll dabei weder Aufgaben der Sozialdienste im Krankenhaus übernehmen, noch die Rechtsberatung bei Behandlungsfehlern, allerdings die PatientInnen über ihre Rechte und bestehende soziale und rechtliche Angebote aufklären.

Der Entwurf versteht die Einrichtung einer solchen Patientenvertretung als Einlösung des §70 Sozialgesetzgebung, der die Krankenkassen dazu verpflichtet, „auf eine humane Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.“ Daher sollen Krankenkassenverbände und Krankenhausgesellschaft gemeinsam die finanzielle, personelle und räumliche Ausstattung der Patientenvertreterin regeln.

Klaus Stratmann, Verwaltungsdirektor der AOK Bremen, sieht das nicht ein. „Es gibt dringendere Probleme, um die wir uns kümmern müssen, Beispiel Sanierungsmaßnahmen in Krankenhäusern,“ sagt er. Seine Weigerung bezieht sich ebenso wie die seiner KollegInnen von Betriebs- und Angestelltenkrankenkassen allein auf die Finanzierung. Ob er, davon abgesehen, die Einrichtung einer hauptamtlichen Patientenstelle begrüßt, will Klaus Stratmann nicht sagen: „Da halten wir uns raus. Das ist eine politsche Entscheidung.“

Peter Kruckenberg, ärztlicher Direktor des ZKH- Ost, ist unbedingt für die Umsetzung des Entwurfs. „Das bringt ein Stück Humanität ins Krankenhaus,“ meint er und verweist auf Schweden, Finnland und Norwegen, wo solche Stellen längst zum Angebot gehören. Und schließlich gehe es in Zeiten der Kürzungen auch um die Qualitätssicherung von Standards. Daher sollten die Krankenkassen das Projekt zumindest teilfinanzieren.

Die Verwaltungsdirektoren der ZKH-Ost und -Nord befürworten beide prinzipiell die Patientenvertretung, wollen ihr aber ehrenamtliche MitarbeiterInnen zur Seite stellen, die direkt in den Krankenhäusern ansprechbar sind. Schon jetzt gehe täglich eine Beschwerde bei ihnen ein, die meist das Essen betreffe. „Bei solchen Dingen ist schnelles Reagieren gefragt, sonst sind die Patienten schon wieder zu Hause.“ Geht es um Fehlbehandlungen, räumt Karl Heinz Eßmann vom ZKH Ost ein, könne freilich nicht das Krankenhaus die Beschwerde bearbeiten. Mehrere Modelle wurden seit Vorlegen des Gesetzentwurfes entwickelt, den die Senatorin noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen wollte, der aber noch nicht in der Deputation diskutiert wurde. Für Klemens Müller, Mitarbeiter der „PatientInnenstelle des Bremer Gesundheitsladens“ und damit der einzigen öffentlichen Beschwerdestelle, liegt auf der Hand, daß die Stelle einer Patientenvertretung so schnell wie möglich einzurichten ist: Trotz mangelnder Werbung, trotz Öffnungszeiten von nur vier Wochenstunden, trotz der nur einer halben Stelle, mit der die Patientenstelle des Gesundheitsladens arbeitet, kamen '94 in nur zehn Monaten 182 Kontakte zustande. Etwa 40 Prozent der Beschwerden bezogen sich auf Behandlungsfehler. „Beschwerden“, warnt er, „sind ein Seismograph für die Qualitätsstandards in den Krankenhäusern.“ dah

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