piwik no script img

Klage gegen Euro-VerfahrenNur nichts falsch verstehen

Es ist ein Pilotverfahren: Die Karlsruher Verfassungsrichter prüfen die deutschen Gesetze zur Finanzhilfe für Griechenland und den Euro-Rettungsschirm.

Es geht nur um Rechtsfragen: Über die richtige Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise wird in Karlsruhe nicht verhandelt. Bild: dpa

KARLSRUHE dapd | Das Bundesverfassungsgericht will sich nicht damit befassen, ob die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm und die milliardenschweren Griechenland-Hilfen wirtschaftlich sinnvoll sind. "Wir wollen hier keine ökonomische Debatte. Es geht hier um reine Rechtsfragen", machte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Dienstag zu Beginn der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe deutlich.

Voßkuhle warnte vor "Fehlvorstellungen" hinsichtlich der vorliegenden Verfahren. Über die Zukunft Europas und die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise innerhalb der Europäischen Währungsunion werde in Karlsruhe "nicht verhandelt". Dies sei Aufgabe der Politik und nicht der Rechtsprechung.

"Das Bundesverfassungsgericht hat aber die Grenzen auszuloten, die das Grundgesetz der Politik setzt", sagte Voßkuhle. Der Gedanke der Selbstbindung der Regierung und des Parlaments durch Verfassungsrecht sei das Fundament des demokratischen Verfassungsstaates und müsse sich gerade in der Krise bewähren.

Gemäß der Verhandlungsgliederung geht es vor dem Zweiten Senat vor allem darum, ob das Haushaltsrecht des Bundestages wegen der gigantischen Garantiesummen für pleitebedrohte Euro-Länder verletzt ist.

Kläger befürchten Haftungs- und Transfergemeinschaft

Das deutsche Gesetz zum Euro-Rettungsschirm sieht vor, dass Deutschland mit maximal 147,6 Milliarden Euro haften könnte - und zwar mit Bürgschaften für Notkredite des Euro-Krisenfonds EFSF. Nach dem Gesetz zum ersten Hilfspaket für Griechenland vom Mai 2010 übernimmt Deutschland überdies Bürgschaften für Kredite der bundeseigenen Förderbank KfW an Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro. Die erste Tranche für 2010 belief sich bereits auf 8,4 Milliarden Euro.

Gegen die beiden Gesetze klagen der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und eine Professorengruppe um den emeritierten Nürnberger Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der sich der ehemalige Thyssen-Chef Dieter Spethmann angeschlossen hat. Aus Sicht der Kläger entwickelt sich die europäische Währungsunion durch die Milliardenbeihilfe ohne ausreichende rechtliche Grundlage zu einer "Haftungs- und Transfergemeinschaft". Der Artikel 125 des Lissabon-Vertrages lege ausdrücklich fest, dass ein Mitgliedsland nicht für Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates hafte oder eintrete. Durch die milliardenschweren Hilfsmaßnahmen werde zudem die Stabilität des Euro gefährdet.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier (CDU), sieht dem Verfahren in Karlsruhe indes zuversichtlich entgegen. "Ich bin sehr gelassen, weil ich mehrfach erfahren habe, dass das Bundesverfassungsgericht sich zur europäischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland immer wieder bekannt hat", sagte Altmaier am Dienstag in Berlin. "Soweit ich es als Jurist sehe, haben wir gute Argumente."

Für die Bundesregierung wird in der Verhandlung Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprechen. Mit einem Urteil wird innerhalb von drei Monaten gerechnet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • HP
    Heinz Peter

    Es wäre ja auch zu schön, wenn in der Praxis die Regierung mal wirklich einen auf den Deckel bekommen würde wegen Veruntreuung von Steuergeldern. Nichts anderes ist die Griechenlandhilfe...

    Was bekommt man für solch eine Straftat? Ich hoffe langjährige Gefängnisstrafen, und ja, für ALLE Verantwortlichen in der BundesreGIERung.

     

    Ständig wird behauptet, dass der Euro in Gefahr wäre bzw. eine neue Wirtschafts- und Finanzkrise droht, wenn Griechenland Pleite geht. Mal ganz ehrlich - wer soll diesen Schwachsinn eigentlich noch glauben?

     

    1. Jeder der Anleihen in Griechenland hatte, hat für das entsprechende Risiko Zinsen bekommen. Wer sein Geld nun verliert, hat eben wie im Spiel einfach verloren und Pech gehabt (Wer zockt, muss auch damit rechnen, dass er das Geld verliert). Nur blöd, dass die Staatsanleihen nun kaum noch von Privaten getragen werden, weil unsere Politiker zu beschränkte Entscheidungen treffen und den Bankstern jeden Müll abkaufen.

     

    2. Griechenland beansprucht 2 % der Wirtschaftsleistung der EU - "oh mein Gott, wenn die nun wegfallen, werden wir alle arm und verhungern. Natürlich wird es eine weltweite Rezession geben, da die griechische Wirtschaft sowas von bedeutend in der Welt ist..." Schwer zu glauben, aber manchmal ist die Insolvenz der beste Weg wieder mit den Füßen auf den Boden zu kommen und neu anzufangen.

     

    3. Eine Insolvenz ist trotz allem unausweichlich... zumindest eine Umschuldung ist auf jeden Fall notwendig. Ein Staat mit einem riesen Schuldenberg ohne starke Wirtschaftskraft beginnt zu sparen. Es werden weniger Investitionen getätigt. (Kein BWL´ler würde in einem privaten Unternehmen so handeln) Folglich schrumpft auch die Wirtschaftskraft. Der Schuldenberg steigt trotz Einsparungen. Ein Teufelskreis...

  • W
    WaltaKa

    So wie ich dies sehe, werden in der EU Vorgänge erst intern durch die Regierungschefs vereinbart und beschlossen. Haben die nationalen Parlamente Glück, dürfen sie das bereits Beschlossene nachher immerhin noch abnicken. Vom EU-Parlament zu reden, erspare ich mir. Diese EU ist undemokratisch und höhlt auch die demokratische Verfasstheit der nationalen Demokratie und damit das Grundgesetz aus. Die Transferunion ist politisch bereits vollzogen. M. M. nach wird das Bundesverfassungsgericht daran nichts mehr ändern. Die Nichtbeteiligung des Bundestages wird aufgrund der Argumentation der Regierung abgenickt werden. Sollte es so kommen, wie von mir beschrieben, kann sich das Bundesverfassungsgericht gleich auflösen und zuvor noch die Existenz Deutschlands als souveränen Staat und damit die Geltung des Grundgesetzes für beendet erklären.