Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um:
Körnig und kontrastarm wirken die meisten analogen Fotografien des Hamburger Künstlers Jochen Lempert. Doch bei genauerer Betrachtung öffnet sich ein künstlerisches Universum in dem die Poesie der Umwelt auf stille Weise gefeiert wird. Das Spektakuläre ist hier das vermeintlich Unscheinbare, wie etwa die beiden Mohnpflanzen, die in einer sechsteiligen Bildfolge ihre Blütenstengel wie synchronisiert bewegen, die zarte Pflanzenranke, die sich um ein Gitter windet oder die beiden Schwäne, deren Köpfe unter Wasser stecken. Auch eine kleine Schwebfliege bekommt einen Auftritt. Nichts scheint zu nebensächlich oder zu alltäglich, um nicht doch das Interesse des Hamburger Künstlers zu wecken, der auch studierter Biologe ist. Zu diesem aufmerksamen wie geduldigen Ansatz passt die unprätentiöse Hängung, mit welcher Lempert seine SchwarzWeiß-Abzüge in der Galerie BQ präsentiert (bis 9. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Weydingerstr.10).
Einer anderen Form von Beiläufigkeit scheint die New Yorker Fotografin Jenna Westra auf der Spur zu sein. In der Galerie Schwarz Contemporary von Anne Schwarz (kürzlich mit dem VBKI-Preis 2019 für Berliner Galerien ausgezeichnet), zeigt Westra ihre Ausstellung „She’s Reading 1“. In ihren Fotografien setzen sich hauptsächlich Frauenkörper zueinander in Beziehung, so als führten sie eine Art Performance oder Tanzchoreografie auf. Westra verstärkt den inszenierten Charakter, indem sie einmal das Meer ins Bild holt, drei Zitronen oder ein andermal den Rand eines Pools. Um was für ein Schauspiel geht es hier, fragt man sich. Doch welche Geschichte erzählt wird, bleibt offen. Die Gesichter der Fotografierten sind verdeckt oder im Außen der Bilder. So rückt nicht so sehr das Dargestellte in den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Stimmung, die es evoziert (bis 12. 10., Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Sanderstr. 28).
Wie in einem archäologischen Kabinett präsentiert die Künstlerin Mai-Thu Perret ihre Keramik-Objekte in der Galerie Barbara Weiss. Ihre Ausstellung „Agua Viva“ zeigt unter anderem die Elemente einer Schaufensterpuppe, die wie Teile einer auseinandergenommenen antiken Statue wirken. Daneben hat die Künstlerin zwei große Schildkröten platziert, die in vielen Kulturen als Mythenträger dienen und Langlebigkeit und Ausdauer verkörpern. Zwei weitere Keramik-Objekte zitieren Bauten der italienisch-brasilianischen Architektin Lina Bo Bardi (1914–1992). Sie war eine der einflussreichsten Architektinnen der Moderne in Brasilien, doch ihr Werk galt bis vor ein paar Jahren als nahezu vergessen (bis 9. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Kohlfurter Str. 41/43).
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