Kitesurfen: Das Spiel der schwarz-grünen Männchen
Beim Sylter Auftaktswettbewerb zum World Cup 2009 nahm es der 19-jährige deutsche Juniormeister im Freestyle, Tim Kummerfeld, mit Profis wie Mario Rodewald und Stefan Permien auf.
Das Wasser ist grün. Da ist ein schwarz-rotes Männchen auf dem Wasser. Über dem Männchen ein kleines grünes Zelt. Und ganz weit drüber das große graue Zelt. Mit blauen Flecken. Das grüne Zelt zieht das Männchen Richtung Grau. Ein paar Meter weit. Am Strand, die Eingemummelten, rufen: "Uh. Yeah." Auf dem Wasser macht es "pflatsch". Es ist ein Kampf der nicht zu gewinnen ist. Männchen gegen Wasser und Wind. Deshalb kämpfen sie ihn immer wieder und sagen: "Es ist ein Spiel."
Der Wind, fünf, sechs Windstärken, 22 Knoten, hat es in sich. Man hört ihn zwischen 13 und 15 Uhr besser, weil da auf Sylt Ruhe herrscht. Keine Musik, keine Lautsprecherdurchsagen. Die Rentner sollen beim Schlafen nicht gestört werden. Der Kitesurf-Weltcup vor Westerland geht weiter. Schweigend. Bis auf das "pflatsch", das "uh yeah" und das Knattern der Fahnen und Sponsorenzelte.
Tim Kummerfelds Augen sind rot. Der Neopren-Anzug, der draußen am Transporter hängt, gehört ihm. Er ist 19 Jahre alt und aus Hamburg. Er hat vor ein paar Tagen die letzte Abi-Prüfung hinter sich gebracht. Ab September will er in Flensburg Energie- und Umweltmanagement studieren.
Er hätte auch aufs Kitesurfen setzen können. Eine Profikarriere starten. Statt drei- bis viermal Training pro Woche jeden Tag aufs Wasser. Immer fahren, von Hamburg-Eidelstedt nach St. Peter Ording. "Für mich hatte die Schule Vorrang. Ich glaube, das war vernünftig", sagt Kummerfeld. Als Amateur unter Profis fährt er nur die Weltcups in der Gegend. Den nächsten, vom anderen Verband, vom 24. Juli bis 7. August in St. Peter Ording. "Die meisten deutschen Kitesurfer machen beide Wettkämpfe", sagt Kummerfeld.
Die roten Augen machen der Wind und der Sand. "Ein bisschen Sonnenbrand hat man auch", sagt er. Die Eltern haben ihn drauf gebracht. Vater und Mutter sind Surfer. Vater Heinz machte 2002 einen Kitesurf-Kurs. "Will ich auch", quengelte Kummerfeld und übte am Strand.
Die Kites waren noch nicht so gut wie heute und Kummerfeld war noch kleiner und leichter und der Lenkdrachen, mit dem er übte, zog ihn wie den "fliegenden Robert" von Heinrich Hoffmann gefährlich hoch. 2003 durfte er einen Kurs machen und innerhalb von zwei Wochen "habe ich meinen Vater überholt", lacht er. Drei Jahre später die ersten Wettkämpfe, Ende 2006 erwischte er bei einem Wettkampf in Tarifa (Spanien) eine Landung "blöd" und lief ein halbes Jahr mit gerissenem Kreuzband herum. Trainierte Kitesurfen, Taekwondo, hatte Schmerzen, machte Pause, die Ärzte sahen den Riss nicht. Bis er zu den Mannschaftsärzten des FC St. Pauli ging, die eine Kernspintomographie machten und ihn dann operierten. Nach einem halben Jahr surfte er wieder. 2008 wurde er Deutscher Meister der Junioren in der Disziplin Freestyle.
"Dabei geht es um spektakuläre Sprünge, technische Vielfalt. Ein Heat dauert sieben Minuten in denen man gegen einen anderen Fahrer seine besten Sprünge zeigen muss", erklärt Tim. Auf Sylt scheidet er in der dritten Runde gegen Sebastian Bubmann (Königsbrunn), den Deutschen Meister 2006, aus. "Für mich ist das kein schlechtes Resultat", sagt Tim. Gewinnen wird später der deutsche Meister der vergangenen beiden Jahre Mario Rodwald, 18, aus Rendsburg. Dahinter: Stefan Permien, 24, aus Pinneberg, der zurzeit in Kiel Chemie studiert. Beide gelten als die derzeit besten Freestyle-Kitesurfer der Welt.
Den Sprung mit der Nummer 313 hat Kummerfeld total verhauen. Man streckt sich waagerecht in die Luft, dreht sich um die eigene Achse und lässt die Bar, an der der Kite hängt, einmal hinterm Rücken rumwandern. "Manchmal ist die eigene Aufregung eine Sperre", sagt er.
Wir gucken den Waveridern zu, auch eine Disziplin der Kitesurfer. Mit 25 Kilometern pro Stunde über die Wellen, kleiner Trick am Schluss. Schöner Sprung von Rodwald. Die Eingemummelten rufen: "Uh. Yeah." Dann macht es "platsch". "Uh. yeah", rufen die Eingemummelten, weil man dazu den Mund ziemlich geschlossen halten kann. Der Wind bläst einem dann nicht so viel Sand zwischen die Zähne.
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