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Kirchliche Freiheit ohne Grenzen

■ Erster Pastor der Hamburger Schwulen- und Lesbenkirche

Etwas aufgeregt ist er schon wegen morgen, sagt er. Morgen abend wird Thomas Friedhoff zum Pastor der Hamburger Gemeinde der Metropolitan Community Church (MCC) ordiniert. Hinter dem Namen verbirgt sich keine Sekte, sondern ein ökumenischer Zusammenschluß von Schwulen und Lesben, die sich von ihren früheren Kirchen abgewandt haben, ausgegrenzt wurden oder auch erst hier ihre Spiritualität und christliche Gemeinschaft entdeckten.

In Hamburg taten sich schon 1985 schwule Christen zu einer Basisgruppe im Magnus-Hirschfeld-Centrum (MHC) zusammen. Vor sieben Jahren öffnete sich der Kreis auch für Lesben: die Gründungsphase der MCC-Ortsgemeinde. Eine Trennung vom MHC war nötig, um Eigenständigkeit zu demonstrieren. Die Einladung vom Christlichen Verein junger Menschen (CVJM), in ihren Räumen zukünftig die Gottesdienste zu feiern, kam passend. Ein Angebot, das gern angenommen wurde, um manchem Besucher die Schwellenangst zu nehmen. Einladungen und Ko-operationen mit anderen Kirchen sind eher selten und schwierig: Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACKH) lehnte das Aufnahmebegehren der MCC glatt ab. „Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit rechtfertigt keine kirchliche und theologische Eigenständigkeit“, so ACKH-Geschäftsführer Ingo Lembke. Doch persönlich ist er der Meinung, daß „die Existenz dieser Gemeinde die Wunde der anderen Kirchen“ sei, weil sie die Ausgrenzung Homosexueller deutlich mache.

Die morgige Ordination ist für Thomas Friedhoff der – vorläufige – Abschluß eines nicht immer leichten Weges: Als nach dem Theologiestudium die Einsegnung anstand und er sich zu seinem Schwulsein bekannte, da wollte die baptistische Gemeinde „schweren Herzens“ auf ihn verzichten. Der in Hannover geborene Friedhoff kündigte lieber selbst – und ging. Seine Ehe zerbrach, Freunde meldeten sich ab. Als Altenpfleger, Grafiker und schließlich als Leiter der MHC-Beratungsstelle verdiente er sein Brot. Heute wirkt er 20stündig als „Ladenkoordinator“ für Hein & Fiete und mit der verbleibenden Zeit nicht nur für die 100 Hamburger MCC-Gemeindemitglieder als Seelsorger: Er ist auch für die Filialgemeinden in Köln und Frankfurt/M. mitverantwortlich.

Aufgaben hat er genug: Gottesdienste, Beerdigungen und manchmal eine Partnerschaftssegnung. „Wir hätten locker zu einer Hochzeitskirche werden können“, so der Geistliche. Den Kirchen wünscht er, daß Homosexualität kein Thema sein muß und Schwule und Lesben endlich akzeptiert werden: „Wir definieren uns von der Mitte, von Christus her, und beschreiben nicht erst die Grenzen unserer Freiheit wie andere Kirchen.“

Miguel-Pascal Schaar

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