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Archiv-Artikel

Kirchentag - The Movie

Die satirische Dokumentation „Religulous“ mit Bill Maher läuft in der Schauburg

VON WILFRIED HIPPEN

„Religiotisch“ ist wohl die passendeste Übertragung des Titels dieses Films, in dem Spott mit dem Heiligen getrieben wird. Nun ist für jeden Menschen, jede Kultur und jede Religion etwas anderes heilig, und das Erhabene liegt so nah am Lächerlichen, weil der jeweils Ungläubige sich nur schwer in die Situation des Gläubigen einfühlen kann. Außerdem treiben die organisierten Religionen im Laufe der Zeiten absurde Auswüchse, und diese sind ein gefundenes Fressen für einen Satiriker wie Bill Maher, der als Sohn eines Katholiken und einer Jüdin auch Witze machen kann, die aus anderem Munde politisch höchst unkorrekt klingen würden. Maher ist zwar nicht der Regisseur (dafür zeichnet ein Larry Charles), aber eindeutig der „Macher“ dieses Films.

Ein Lacher ist ihm so wichtig, das er für ihn in der Hölle schmoren würde. Maher glaubt zwar an keine der verschiedenen Höllen, die gerade im Angebot sind, aber als Agnostiker sollte er sich darüber im Klaren sein, dass man es ja nie genau wissen kann. Vielleicht ist es aber ja auch ein Maßstab für die „Reife“ einer Religion, wie viel Humor an ihr möglich ist. Bei diesem Test schneidet überraschenderweise die katholische Kirche am besten ab. Maher wird zwar mit seinem Team hochkantig aus den Gebäuden des Vatikans geworfen (wie wird er sich über die Aufnahmen der verrissenen Kamera gefreut haben), aber zwei fortschrittliche und sympathische Priester erklären ihm dann ganz genau, dass die katholische Theologie mit dem fundamentalistischen Kinderglauben vieler Christen kaum noch etwas zu tun hat. Einer Mönch lacht sogar lauthals über solche überholten theologischen Konzepte wie das Fegefeuer oder die Schaffung der Welt in sieben Tagen. Nach Kondomen hat Maher allerdings nicht gefragt. Überhaupt ist er höchst ungerecht und manipulativ. Er fällt seinen Interviewpartnern ständig ins Wort, er schneidet ihre Antworten so, dass er immer das letzte und beste Wort hat und unterschiebt ihnen sogar in Zwischentiteln Aussagen, die offensichtlich nicht von ihnen stammen.

Dies ist alles andere als eine ernstzunehmende Dokumentation über die Weltreligionen -- aber Maher ist wirklich witzig, wenn er etwa einen afroamerikanischen Prediger auf seinen Reichtum, die goldenen Ringe an den Fingern und den sündhaft teuren Anzug anspricht und dieser offensichtlich nicht nur das Zitat von den Reichen und dem Nadelöhr nicht kennt, sondern sich auch noch zu der Maher hatte offensichtlich ein gutes Rechercheteam, das ihn auf die Interviews vorbereitet hat, und so ist er in der Regle bibelfester als die offiziellen Vertreter der Religionen, die es ja eigentlich besser wissen sollten. So weckt der Film oft Schadenfreude. Zugegeben keine allzu noble Regung, aber als Gegengift bei Scheinheiligkeit durchaus wirkungsvoll. Maher führt auch ein paar schöne theologische Kuriositäten vor. So etwa jene Maschinen, die orthodoxen Juden am Sabbat alltäglich Verrichtungen wie das streng verbotene Telefonieren ermöglichen: Da sie selber nicht wählen dürfen, wählt das „negative Telefon“ selber permanent eine Anzahl von Nummern, und man unterbricht dann diesen Prozess, „entwählt“ also nur die anderen Alternativen. Kurios ist auch das Museum des „intelligent design“ mit den Dioramen, in denen Kinder friedlich mit Dinosauriern spielen.