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Kirchenasyl ist „ziviler Ungehorsam“

■ Staatsanwaltschaft: Ermittlungen nötig, Einstellung gut möglich

Die Gewährung von Kirchenasyl ist und bleibt strafbar – aber mit ein bißchen Glück wird in Bremen das Verfahren eingestellt. Das ist die Folgerung aus heftig kritisierten Aussagen des Oberstaatsanwaltes Hans-Georg von Bock und Polach. Der Staatsanwalt hatte erklärt, wer Kirchenasyl vorbereite, mache sich „prinzipiell strafbar“ und müsse mit einer Geldbuße rechnen. Das sei „selbstverständlich richtig“, meinte von Bock und Polach auf Nachfrage, doch Kirchenasyl falle für ihn unter die Kategorie „bürgerlicher Ungehorsam“, wo die Staatsanwaltschaft zwar ermitteln müsse, doch durchaus das Vefahren auch einstellen könne.

Neben lauter Kritik von der Bremischen Evangelischen Kirche und aus den Reihen von SPD und Grünen haben die Äußerungen des Oberstaatsanwaltes auch Verwirrung bei den Betroffenen gestiftet: Friedrich Scherrer, Pastor der Immanuel-Gemeinde in Walle, hatte aufgrund der Presseberichte über die Aufnahme der zairischen Familie Soki in seiner Gemeinde eine Anzeige an den Hals bekommen. Das Verfahren stellte von Bock und Polach ein und teilte Scherrer dies mit Schreiben vom 17.Januar mit. Begründung: „Geringes Verschulden und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“, hieß es. Scherrer sei „die strafrechtliche Relevanz seines Handelns nicht bewußt gewesen“, weil es noch keine Ermittlungen oder gar Verurteilungen zum Thema Kirchenasyl in Bremen gegeben habe. Außerdem attestierte der Staatsanwalt dem Pastor, „aus humanitären Erwägungen und nicht etwa aus eigennützigen Gründen oder aus Rechtsfeindschaft“ gehandelt zu haben.

Für die Immanuel-Gemeinde war diese Einschätzung so positiv, daß sie sie in einem Mitteilungsblatt der „Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ bundesweit verbreiten ließen – im Netzwerk der knapp 400 Gemeinden, die sich zum Kirchenasyl bereiterklärt haben. Für den Staatsanwalt ist klar, daß Kirchenasyl als Strafvereitelung zu werten ist und ihm nichts übrig bleibt als zu ermitteln, will er sich nicht der Strafvereitelung im Amt schuldig machen – „da drohen mir sechs Monate!“ Auf jeden Fall wolle man auf die Problem flexibel reagieren – „mit dem ganzen Repertoire von Strafgesetzbuch und Strafprozeßordnung“. Das aber heiße eben auch, ein solches Verfahren wegen geringer Schuld möglicherweise einzustellen, meint von Bock und Polach. „Wenn das einer aber mehrfach macht, muß man dem einen Riegel vorschieben.“ bpo

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