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„Kir Royal“ auf dem Königsplatz

■ Anti–WAA–Demonstration als Wahlkampfthema / taz–exclusiv: Polizeiprotokolle zur Lage

„VS - Nur für den Dienstgebrauch“ sind die Protokolle einer Arbeitstagung der Polizeiführungsakademie in Hiltrup überschrieben. Die Dokumente, die jetzt der taz zugespielt wurden, enthüllen die polizeistrategischen Lehren der „Polizeieinsätze an der WAA Wackersdorf sowie am KKW Brokdorf und am 8.6.1986 in Hamburg“. Der Hamburger Kessel und die (Wahlkampf)Auseinandersetzungen in Brokdorf sind noch nicht vergessen. Wünschen sich die tonangebenden Kreise in München eine Neuauflage, die ihnen, ähnlich wiein Niedersachsen, Wählerstimmen beschert? Das Verbot der Demonstration am Samstag gegen den Atomstaat scheint dazu angetan.

München (taz) - „Den Stift in der Hand die Faust erschlafft für die Schweine fehlt mir jede Kraft“, frozzelt Pinus Fichtner vom Trägerkreis der umstrittenen Wackersdorf Demo in Abwandlung des Spruches der im Verbotsbescheid des Münchner Kreisverwaltungsreferat zitiert wird. „Aber die haben ja keinen Humor“, meint er achselzuckend. Seit Mitte vergangener Woche routiert die Pressegruppe des Trägerkreises. Nachtschichten sind angesagt. Der Weg durch die Instanzen, erst am späten Mittwochnachmittag kam die Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts, kostet Zeit und Kraft. Schuld daran ist vor allem die Verschleppungstaktik der Stadt, die erst 14 Tage nach der Anmeldung zu einer ersten mündlichen Verhandlung mit den Veranstaltern bereit war. „Der Rechtsweg sollte uns dadurch erschwert werden“, vermuten die Veranstalter nicht zu Unrecht. Grünes Licht gabs deshalb nur für die Kundgebung auf dem Münchner Königsplatz ab Mittag um 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr, die Demonstration selbst blieb jedoch verboten (siehe Dokumentation). Grundsätzlich folgte das Gericht den Argumenten des Münchner CSU–Kreisverwaltungsreferenten Gauweiler, der behauptete an der Demo seien Gruppen beteiligt, die „erhebliche Gewaltbereits chaft gezeigt haben“. Das Hin und Her bei den Grünen und ihre wahltaktischen Überlegungen haben nun dazu geführt, daß sie als „Kronzeuge“ für ein Demoverbot benutzt werden, vermuten die Veranstalter, die sich bisher noch sehr zurückhaltend zum widersprüchlichen Verhalten der Grünen äußerten. Nicht zuletzt deshalb, da verschiedene bayerische grüne Kreisverbände sowie die Grüne Stadtratsfraktion im Münchner Rathaus nach wie vor die Demo unterstützen. Außerdem tritt der grüne Erwin Winter als Anmelder auf. „Aus taktischen Gründen ist es hier notwendig sich nicht auf die geplante Bullenprovokation einzulassen; eine Spaltung des WAA–Widerstands muß verhindert werden“. Mit diesem Satz versucht die Zeitschrift „Freiraum“, die immer wieder das „Objekt der Begierde“ für die Staatsanwaltschaft war, fast jeder Nummer wurde beschlagnahmt, nochmals darauf hinzuweisen, von welcher Seite Gewalt zu erwarten sei. Wie sich im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit den von der Polizei inszenierten „Haidhauser Krawalle“ im Anschluß an die Münchner Anti– WAA Demo gezeigt hat, ist die Befürchtung, daß die Polizei Provokateure einschleust, nicht unbegründet. Inzwischen ist klar und auch in einer Fotodokumentation festgehalten, daß es ein Zivilbeamter der Polizei war, der durch seinen Flaschenwurf auf ein Polizeiauto den Anlaß zu den Massenverhaftungen gab. „Einen erheblichen Nachholbedarf an Rechtsstaatlichkeit“ bescheinigt dann auch der grüne Landtagskandidat Hartmut Bäumer dem Freistaat auf der gestrigen Pressekonferenz der Grünen zum Thema „Aushöhlung des Demonstrationsrechts“. Den CSU–Vorstoß zur Verschärfung des Demonstrationsrechts bezeichnete der grüne Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Rechtsausschuß als verfassungswidrig. Die Frage der Demo– Veranstalter: „Wer hat Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Polizei?“ ist angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen berechtigt. Sicherlich käme es der CSU nicht ungelegen, wenn Teilnehmer einer Anti–WAA Demo als Krawallmacher Schlagzeilen machen. Das Hick–Hack darum begann schon bei den Vorbereitungstreffen. So forderten die Vertreter von Pax Christi ein deutlicheres Herausstellen der Gewaltfreiheit und aus den grünen Reihen war zu hören: „Prinzip der Grünen war, ist und bleibt die Gewaltfreiheit“. Pax Christi und „Kirche von unten“ zogen sich zurück. Einen Rückzieher machte auch der Unterbezirks der Münchner SPD auf Druck von oben. Da half es nichts, daß die Veranstalter nochmals daraufhinwiesen, „daß von unserer Seite keine Gewalt ausgehen wird“. Als dann auch noch die Oberpfälzer BIs Bedenken anmeldeten, sie wollten lieber nach der Landtagswahl demonstrieren, verließen selbst ein Teil der Autonomen den Trägerkreis mit der Begründung ohne Oberpfälzer machts keinen Sinn. Da man jedoch auch ohne Oberpfälzer Angst vorm Atom haben dürfte wurde weiter mobilisiert. Luitgard Koch

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