Kino-Film "Liebe auf den zweiten Blick": Peinsam auserzählt
Emma Thompson und Dustin Hoffman beweisen in Joel Hopkins´ Liebeskomödie, dass es nie zu spät ist, sich zu verlieben - ein ödes Filmchen.
Als Kind spielte ich gerne mit Faltbögen. Auf einer DIN-A4-Pappe versammelten sich ganze Welten: das Mittelalter mit Rittern, Lanzen, Burgen oder die Raumfahrt mit Astronauten, Raketen, Planeten. Besonderen Spaß bereitete es, die Figuren, ihre Aufgaben und Accessoires zu vertauschen, den Raumfahrer mit Schwert gegen Aliens antreten zu lassen. Oder ihn meiner Puppe Gute-Nacht-Geschichten aus dem All erzählen zu lassen.
Manchmal würde ich im Kino einen Film am liebsten in seine Einzelteile zerlegen, ihn zum Faltbogen umgestalten und wieder die Herrscherin von damals werden, etwa um eigentlich sympathische Schauspieler aus einer unsäglichen Handlung zu befreien. Ein ödes Filmchen wie Joel Hopkins "Liebe auf den zweiten Blick" haben Emma Thompson und Dustin Hoffman jedenfalls nicht verdient. Tatsächlich bekommt man es hier mit einem besonders schweren Fall der romantic comedy zu tun: Mit klebriger Musik und einer Komik, die ihre Figuren penetrant in fetteste Fettnäpfchen stößt.
Hoffman spielt den abgehalfterten Werbekomponisten Harvey, der einst von einer Karriere als Klavierspieler träumte. Als er zur Hochzeit seiner Tochter nach London fährt, wird er von ihr und seiner Exfrau aufs Abstellgleis gestellt. Thompson ist die glücklose einsame Flughafenangestellte Kate, die von den Anrufen ihrer Mutter geplagt wird. Zwei einsame Herzen also, die sich zufällig am Londoner Flughafen treffen. Und zwei Schauspieler, denen es gelingt, das Alleinsein schon in Körperhaltung und Gesten zu tragen. Bei der ersten längeren Begegnung liefern sie sich einen grandiosen Schlagabtausch der Singles. Harvey versucht sein Verlorensein durch Geschwätzigkeit zu überspielen, Kate kontert mit scharfzüngiger Britishness. Alles ist da - und wird von Joel Hopkins im Verlaufe dieses Films doch peinsam auserzählt und breitgetreten in Szenen, die die Figuren demütigen und als gescheiterte Existenzen vorführen.
Wie gerne würde man Thompson und Hoffman aus dem Faltbogen der romantic comedy herausreißen und in einen echten Schauspielerfilm hineinstellen. Man würde sie durch London spazieren und über Wind und Wetter und Gott und die Welt reden lassen und ihnen dabei zuschauen, wie sie sich langsam näher kommen. Vielleicht fänden auch der Big Ben und Fish n Chips ihren Platz in dieser filmischen Faltbogenwelt, die sich aber im Wesentlichen auf das beschränken würde, was romantisches Kino doch eigentlich ausmacht: Zwei große Schauspieler, die ihre Rollen bewohnen und zugleich mit feiner Distanz betrachten.
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