: Kinkel: „Zur Versöhnung bereit sein“
■ Justizminister Klaus Kinkel schaltet sich in Debatte über Entlassung von RAF-Häftlingen ein
Stuttgart/Hamburg (dpa) — Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) hat sich mit einem Appell zur Versöhnung zwischen Staat und Terroristen — „dort, wo es angebracht ist“ — in die Diskussion um die vorzeitige Entlassung von Häftlingen der Rote Armee Fraktion (RAF) eingeschaltet. Damit hat sich erstmals ein Mitglied der Bundesregierung öffentlich zu dieser Frage geäußert.
Beim Landesparteitag der baden- württembergischen FDP sagte Kinkel am Sonntag in Stuttgart, der Staat könne und dürfe sich nicht erpressen lassen, „aber er muß auch dort, wo es angebracht ist, zur Versöhnung bereit sein“. Nach wie vor sei die terroristische Bedrohung durch die RAF ungelöst. Noch immer werde von der RAF versucht, einen „unbegründeten Zusammenhang“ zwischen den Gewalttaten und der Situation des inhaftierten Kerns der RAF herzustellen. Diesen — so Kinkel — furchtbaren Kreislauf aufzulösen, sei trotz erheblicher Bemühungen nicht gelungen.
Die Lösung dieses „gordischen Knotens“ kann nach Ansicht des Justizministers nur darin liegen, daß die RAF von ihrem „schrecklichen Tun“ abläßt. Aber auch bei den Inhaftierten sei die Abkehr von der Gewalt notwendig. Kinkel hält den Weg dorthin zwar für schwierig, aber er müsse nach 20 Jahren schlimmer Ereignisse möglich sein. Er fügte hinzu: „Ich jedenfalls will ihn, und ich rufe alle auf, diesen Weg mitzugehen.“
Die deutsche Justiz prüft zur Zeit, ob eine vorzeitige Entlassung von sieben bis acht RAF-Häftlingen — darunter die zu lebenslänglich verurteilten Günter Sonnenberg und Irmgard Möller — möglich ist. Die Überprüfung von vorzeitigen Entlassungen ist generell gesetzlich vorgeschrieben — unabhängig davon, ob es sich um terroristische oder um andere Straftäter handelt.
Die betroffenen RAF-Häftlinge — wenn sie zu lebenslanger Haft verurteilt wurden — haben 1992 beziehungsweise 1993 mindestens 15 oder mehr Jahre ihrer Haft verbüßt, die zu einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe Verurteilten mindestens zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen.
Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Hans Gottfried Bernrath (SPD), wandte sich entschieden gegen eine Sonderbehandlung von RAF-Häftlingen. Bernrath betonte in der 'Bild am Sonntag‘, Voraussetzung für eine vorzeitige Entlassung von Häftlingen in Deutschland sei die klare Erwartung, „daß der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird“. Für die RAF-Terroristen heiße dies eindeutig: „Wer dem Terror nicht abschwört, muß seine Haft zu Ende absitzen.“
Der thüringische Justizminister Hans-Joachim Jentsch (CDU) forderte, die „politisch motivierten Erwägungen“ über eine Strafaussetzung auf Bewährung für RAF-Terroristen zu beenden und „die Entscheidung darüber, ob ausreichende Haftverschonungsgründe vorliegen, den unabhängigen Gerichten“ zu überlassen. Jentsch warnte ferner davor, übr den Strafvollzug „Defizite bei der Fahndung“ ausgleichen zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen