Kindesmissbrauch in Armenien: Gegen die Ewiggestrigen

Sieg über erzkonservative Kräfte: Armenien hat endlich eine Konvention zum Schutz von Kindern unterzeichnet.

Nikol Pashinjan

Die Bevölkerung in Armenien wünscht politische Veränderung. Nikol Pashinjan im Februar Foto: imago

Na bitte, geht doch! Endlich hat auch das armenische Parlament die Europaratskonvention zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch ratifiziert. Das alles passierte ohne längere Debatten und im Schnelldurchgang. Doch diesen Kol­lateralschaden für die demokratische Debattenkultur gilt es angesichts des positiven Ergebnisses in Kauf zu nehmen.

Denn diese Abstimmung ist ein bedeutsamer Sieg über die erzkonservativen Kräfte in der Südkaukasusrepublik. Und der ist seit Langem überfällig. Vor allem die orthodoxe Kirche und selbst ernannte Verteidiger sogenannter traditioneller Familienwerte sind es, die immer noch mehr oder weniger erfolgreich versuchen, jeden gesellschaftlichen Fortschritt zu blockieren. Hauptsache, das äußere Bild stimmt und das Patriarchiat wird nicht angetastet. Sollte das einige Opfer mit sich bringen – ob nun unter LGBT-Menschen, Frauen oder Kindern – sei’s drum.

Doch offensichtlich dämmert es der Regierung unter Nikol Paschinjan (vor immerhin zwei Jahren durch die Samtene Revolution an die Macht gekommen), dass akuter Handlungsbedarf besteht. Nicht nur aufgeklärte Teile der armenischen Zivilgesellschaft fordern immer lauter Veränderungen. Auch die Annäherung an Europa – ebenfalls ein erklärtes Ziel von Paschinjan – wird nur durch weitere Unnachgiebigkeit gegenüber den Ewiggestrigen befördert werden.

Die Ratifizierung birgt noch eine weitere Chance: Vielleicht erhält jetzt auch die Istanbuler Konvention zum Kampf gegen häusliche Gewalt den Ritterschlag im Parlament. Das wäre bitter nötig. Die entsprechenden Daten in Armenien sind bereits seit Langem alarmierend. Es zeichnet sich jedoch schon jetzt ab, dass in der Coronapandemie die Zahl der Männer, die sich in den eigenen vier Wänden austoben, weiter zunimmt. Zugegeben: Schön wird dieser Kampf, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nicht. Doch Paschinjan und seine Gefolgsleute sollten ihn aufnehmen – und zwar jetzt!

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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