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Kinderkrebs in Nähe von AtomkraftwerkenBabys haben häufiger Leukämie

Ein 24 Prozent höheres Risiko an Leukämie zu erkranken haben 10- bis 14-Jährige, die in der Umgebung von Atomkraftwerken wohnen. Das zeigt eine neue Studie.

Wie gefährlich Atomkraft ist, zeigt eine neue Studie. Bild: dpa

BERLIN taz | "Wir haben uns ein Gutachten von Herrn Professor Greiser erstellen lassen." Mit diesen Worten traten am Freitag die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast und die Umweltspezialistin Bärbel Höhn in Berlin vor die Presse. Es geht um Kinderleukämie, die in der Umgebung von Atomkraftwerken gehäuft auftreten soll. "Viele sagen derzeit: Atomkraft ist sicher. Wir sagen: Diese Hochrisikotechnologie ist nicht nur gefährlich, sie ist auch gesundheitsgefährdend", wahlkämpft Renate Künast. Denn das belege die Studie.

Eberhard Greiser, emeritierter Professor und langjähriger Direktor des Bremer Krebsregisters, muss Renate Künast korrigieren, er habe keine Studie erstellt, sondern eine wissenschaftliche Auswertung. Das ist wichtig bei diesem Thema, denn es geht um die sogenannte KiKK-Studie aus dem Jahr 2007. Ergebnis dieser Studie war: Tatsächlich gibt es in der Umgebung von Atomkraftwerken mehr Fälle von Kinderleukämie.

So sind beispielsweise in 25 Kilometer Umgebung des AKW Krümmel 16 Leukämie-Fälle zwischen 1985 und 1995 registriert worden. In einem Gebiet fernab eines AKWs liegt diese Zahl nur bei statistischen 10,96 erkrankten Kindern. 2007 war ein heftiger Wissenschaftsstreit um die KiKK-Studie entbrannt. Ergebnis dieses Streits: Es gibt keinen eindeutigen Beweis, dass das AKW an den Leukämie-Fällen schuld ist. Schließlich könnten auch andere Indikatoren verantwortlich sein.

Geisner - seinerzeit als Gutachter in den Streit verwickelt - hat sich deshalb auf den Weg gemacht, zur Klärung beizutragen. Er untersuchte Daten von 80 AKWs in Frankreich, Großbritannien, Kanada, Deutschland und den USA. Die dort aufgetretenen Fälle von Kinderleukämie verglich er mit dem Landesdurchschnitt.

Sein Kalkül: Wenn es überwiegend Häufungen gibt, wird der Zusammenhang belegbar. Ergebnis: Kleinkinder, die in der Umgebung eines AKWs aufwachsen, leben mit einem 19 Prozent höheren Risiko, an Leukämie zu erkranken, 10- bis 14-Jährige sogar mit einem 24 Prozent höheren Risiko.

Doch so klar, wie sich die Zahlen lesen, ist die Aussage nicht. Während die Daten aus den USA sehr gut seien, ließen es die in Deutschland erhobenen an Aussagekraft missen. Oft seien die Stichproben für statistisch gesicherte Aussagen viel zu klein, so der Professor.

Zudem seien die Erhebungsradien verschieden - 25 Kilometer in Großbritannien, 50 in Deutschland, in Frankreich dagegen im 40-mal-40-Kilometer-Quadrat. Dennoch sei für ihn die Sache klar: "Wir haben zwar keinen Kausalbeweis. Aber wir haben ein echtes Problem. Und das können wir nur an die Politik weiterleiten."

Das ist jetzt wieder der Part von Renate Künast: "Wenn es einen Beleg gibt, dann ist der Staat verpflichtet, Vorsorge zu tragen." Heißt für sie ganz konkret: "Die sieben ältesten Atomkraftwerke sofort abzuschalten." Wieso denn nur bei den sieben ältesten Vorsorge tragen, Frau Künast? Wieso nicht bei allen? Die Spitzenkandidatin spricht von einer Risikominimierungsstrategie: "Jetzt muss mehr geforscht werden. Wenn dann ein konkreter Beweis vorliegt, wird man weitere Forderungen stellen."

Fest steht also derzeit nur: Der Wissenschaftsstreit wird weitergehen.

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10 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    @ Herr Greiser:

    Auszug aus einer ANTI-Atom-Internet-Seite zur Michaelisstudie 1992: "Im BfS Bericht ist auch zu lesen, dass die Kinderkrebsraten auch in der Umgebung von GEPLANTEN Atomkraftwerken erhöht seien, also in Gegenden, wo noch kein Kernkraftwerk vorhanden ist. Die Überprüfung zeigt, dass die Erhöhung nur auf einen von sechs geplanten Standorten zurückzuführen ist, den Standort Rehling, wo die Kinderkrebsrate tatsächlich signifikant um 53% erhöht ist (P=0.007)."

  • A
    Achim

    @Prof. Dr. med. Eberhard Greiser:

    vielleicht meint der "Bürger" diese Studie?!

     

    Zitat [Pia Heinemann, Welt, 2007] "Anschaulich wird dies bei einer Studie, die zeigte, dass allein die Planung eines Kraftwerkes zu häufigeren Erkrankungen führt."

     

     

    wie sieht es denn jetzt bzgl. den Windrichtungen und Ableitungspfaden zum Abwasser aus?

    Ist Krümmel der einzige Fall, der die Statistik begünstigt? Gab es andere Studien, z.B. in Umkreisen von Chemieanlagen? Was könnte noch Auslöser von Leukämie sein? Wieviel haben die Grünen für die Studie bezahlt? usw. usf....

  • BS
    bürger stephanie

    Ihren Kommentar können sie sich sparen bürger g...sie sind doch verbissen wenns die grünen nicht gäbe würden alle uns heute noch die hucke voll lügen und uns auf die schulter spucken und dann sagen es regnet

  • PD
    Prof. Dr. med. Eberhard Greiser

    Herr Bürger G. irrt, wenn er meint, dass in Regionen, in denen Kernkraftwerke geplant waren, Leukämiefälle bei Kindern häufiger waren als im Bundesdurchschnitt. Ein Blick in die entsprechende Publikation aus dem Kinderkrebsregister (Kaletsch und Koautoren, 1997) zeigt, dass - ganz im Gegensatz zur Region um Krümmel - in den Planungsregionen nirgendwo etwas statistisch signifikant erhöht war. Aber dieses Märchen von den Planungsregionen und ihrem erhöhten Leukämie-Risiko wird von der Atomlobby und auch von der Strahlenschutzkommission eifrig verbreitet. Und was Herr Bürger G. bedeutet eigentlich "und natürlich Professor Greiser"? Warum verstecken Sie sich hinter "Bürger G." und nennen nicht Ihren Namen? Angst vor Entdeckung?

  • AH
    Andreas H.

    Im Umkreis von AKWs: 16 Leukämiefälle!

    "Weit weg" davon: 10 Leukämiefälle!

     

    Dass sich hier ein relativer Unterschied von ca. 60% ist mal wegen den geringen Zahlen nicht überraschend.

    Andererseits: Sechs Leukämiefälle, die im Schnitt mehr in der Nähe eines AKW auftreten, können sicherlich als "statistisch irrelevant" oder "statistisch nicht signifikant" bezeichnet werden

  • V
    vic

    Das ist Atom-Managern und Nucleangela Merkel scheißegal.

    Und Herr Bürger G.

    Es kann ja nicht sein was nicht sein darf, klar.

    Wo man nichts sieht, nichts riecht und nichts spürt, da ist nichts...

  • BW
    be. wa.

    @ Bürger G: Welche nur geplanten Standorte, bei denen das gemessen wurde, sollen das denn sein, und wie viele? Vermutlich so wenige, dass dies wirklich auch ein Fall zu geringer Zahl und damit nicht aussagekräftig.

     

    Aber falls es anders sein soll, wäre es ein interessaner Hinweis: Dann wäre es doch möglich, dass bei der Standortauswahl etwas geschieht, das selbst krebserregend ist, also dann gar nicht die AKW, sondern schon ihre Planung gefährlich wäre - naja sehr hypothetisch.

     

    Das mit der Windrichtung ist nicht zwangsläufig relevant, wie sie unterstellen, so lange gar nicht klar ist, ob die Ursache eine Art von Staub oder Gas oder dergleichen Substanz ist, die überhaupt mit dem Wind die Richtung ändert. Vielleicht hat es ja - nur mal als Hypothese - mit dem Wasser zu tun. Da wäre dann - z.B. - der Wind ziemlich irrelevant.

  • A
    Analytikus

    Sehr schön auf den Punkt gebracht, Bürger G.

    Wenn man nur genügend Punkte miteinander korreliert, wird schon irgendwann etwas Verwertbares dabei herausspringen.

    Schöne neue Welt...

  • II
    Im Interesse aller Deutschen und aller Menschen

    hauptwindrichtung?

     

    Was soll der Unsinn?

    In Mitteleuropa haben wir meist entweder Ost- oder Westwind.

     

    Zudem ist die Hauptwindrichtung NICHT entscheidend. Wenn radioaktives Material austritt, tritt es aus, egal ob der Wind gerade aus der Hauptwindrichtung bläst oder nicht. Aber egal woher der Wind gerade bläst, im 25-50km Radius kommt das Zeug runter, daher ist die Messung der Häufung der Leukämie-Fälle um die Kernkraftwerke herum absolut angemessen.

     

    Hinzufügen sollte man noch folgendes:

    Radioaktiver Staub, der sich auf Gewässern absetzt, fließt noch viel weiter als nur 50 km.

     

    D.h. Flussrichtung von Gewässern ober- und unterirdisch müssen auch noch berücksichtigt werden - eigentlich.

     

    Der Vorposter Bürger G. dürfte wohl ein Atomkraft-Lobbyist und vielleicht sogar ein bezahlter Blogger sein.

     

    Es ist im Interesse aller Bürger, verlässliche Studien zur Häufung von Leukämie-Fällen um Atomkraftwerke herum zu erstellen.

    Daher ist nicht nachvollziehbar, wie irgendein Bürger GEGEN solche Studien argumentiert oder sie mit lächerlichen Argumenten für unwichtig erklärt.

     

    Gefälschte Studien im Auftrag von Interessengruppen gibt es vor allem auch von der Atomkraft-Industrie, darauf sollte man vielleicht mal hinweisen.

     

    Außerdem möge bitte berücksichtigt werden, dass o.g. Studie durchaus auch als Meta-Studie (Studie, die viele, thematisch ähnliche und gleiche Studien zu einem Thema auswertet) zu sehen ist: es wurden nämlich nicht nur Daten aus Deutschland ausgewertet, sondern auch Daten und Studien aus dem Ausland. Und diese Meta-Auswertung dieser Daten und Studien ergab ein erhöhtes Leukämie-Risiko!!!!!!!!!!!!!

  • BG
    Bürger G.

    Ach Herr Reimer und natürlich Herr Professor Greiser ,

     

    wurde denn in den Studien die Hauptabgabewindrichtung der Kernkraftwerke einbezogen?, denn wenn die angeblichen Häufungen der Leukämie auf Grund der Radioaktivität (die im Übrigen so gering ist, dass sie statistisch fast irrelevant ist) induziert ist, müssten sich ja dort Häufungen finden! NEIN, das ist eben nicht mit einbezogen worden! Und Zweitens: Warum gibt es Häufungen an GEPLANTEN Kernkraftwerksstandorten, wo nie ein µGramm künstliche Radioaktivität vorhanden war! Komisch?!

    Die Wissenschaft muss endlich die Ursachen für kindliche Leukämie eindeutig klären, sonst müssen wir uns noch in 50 Jahren die Grüne Propaganda anhören! Denn wenn es keine Kernkraftwerke mehr gibt, wird die Leukämie im Umkreis der Kohlekraftwerke steigen! Dafür werden Studien der GRÜNEN sorgen ;-)