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Kinderfreund im Zwielicht

■ Jugendamt: Anzeige gegen „Kids“-Kritiker Behnel

Der Skandal um die SAT1-Sendung „Einspruch“ vom vergangenen Dienstag zieht weitere Kreise. Der 16jährige Strichjunge Mirko S., genannt „Pico“, hatte, offensichtlich unter Drogen stehend, vor laufenden Kameras behauptet, der Hamburger GAL-Politiker Peter Mecklenburg habe ihn mehrfach für sexuelle Handlungen bezahlt. Moderator Ulrich Meyer hatte noch einen draufgesetzt: „Wir haben das gegengescheckt, und es hat sich bestätigt“. Diese angebliche Quelle allerdings nannte der Sender bis heute nicht.

Während Mecklenburg inzwischen Strafantrag wegen übler Nachrede gegen Meyer gestellt hat, gerät ein anderer immer mehr ins Zwielicht: Helmut Behnel, der selbsternannte „Hüter“ der sogenannten Bahnhofskids. Behnel hatte „Pico“, der seit vier Jahren zur Szene der jugendlichen Stricher und Fixer am Hauptbahnhof gehört, mit ins SAT-1 Studio gebracht und dem „Einspruch“-Team angedient. Nicht nur Mecklenburg vermutet: „Das Ganze war eine von Behnel inszenierte Rache-Aktion“.

Vor kurzem hatte Behnel die BetreuerInnen des „Kids“ (Kinder in der Szene), eine von der Jugendbehörde finanzierte Einrichtung für Kinder aus der Hauptbahnhofszene, beschuldigt, Kinderprostitution zu fördern und die Aufklärung von Straftaten der Jugendlichen zu verhindern. Vehement wies daraufhin die GAL, die das Projekt unterstützt, diese Vorwürfe als „unhaltbar“ zurück. Als Beleg für seine Behauptungen hatte Behnel übrigens Tonband-Aussagen von „Pico“ veröffentlicht.

In der Medien-Vermarktung seiner Schützlinge ist Behnel nicht unerfahren. Das erste Mal geriet er in die Schlagzeilen, als 1991 ein Vertrag zwischen ihm und „Premiere“ ans Licht kam, in dem der Privatsender sich verpflichtete, für die exklusive Vermarktung der „Crash-Kids“ Behnel 10.000 Mark zu zahlen.

Auch dem Amt für Jugend ist Behnel kein Unbekannter. Das Amt stellte 1992 und 1993 aufgrund eindeutiger Aussagen von Jugendlichen aus dem Einflußbereich von Behnel Strafanzeigen gegen den selbsternannten Übervater wegen sexuellen Mißbrauchs der Jugendlichen sowie wegen Hehlerei und der Weitergabe von Drogen. Behnel selbst bestreitet die Vorwürfe.

Inzwischen meldete sich bei der taz eine gute Bekannte Behnels, die mit diesem zusammen von Ende '91 bis Mitte '92 die Crash-Kids monatelang betreut hatte. Die in der Bahnhofs-Szene als Denise Wallmann bekannte Frau bestätigte dabei die Aussagen des 18jährigen Szene-Aussteigers René, der in der „Einspruch“-Sendung behauptet hatte, Behnel habe ihm für Diebesgut Geld und Drogen gegeben. Eine entsprechende Anzeige habe er erst zurückgezogen, nachdem Behnel ihn bedroht habe. Denise Wallmann: „Jedes Wort von René ist wahr“.

Denise Wallmann stellte gestern Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen Helmut Behnel und erhebt ähnliche Vorwürfe wie das Amt für Jugend: Behnel habe die Bahnhofskids zu Straftaten angestiftet, ihnen Drogen verkauft, die Kinderprostitution gefördert und die von ihm abhängigen Kinder sexuell mißbraucht, ohne daraus einen Hehl zu machen.

Da die Strafverfahren gegen Behnel noch nicht abgeschlossen sind, sieht die Jugendbehörde bislang keine Möglichkeit einzuschreiten. Ein Sprecher: „Wir haben noch keine Handhabe gegen diesen Mann“. Marco Carini

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