Kinderbetreuung: Märkische Rebellion für die Knirpse

In Brandenburg protestieren Erzieher, Eltern und Verbände gegen die miserable Betreuung in ihren Kitas - mit Massenbriefaktionen und einem Sternmarsch.

Auch die Betroffenen verschaffen sich Gehör: Protestierende Kinder. Bild: DPA

Auf kleinen Kinderstühlchen saßen sie in der Borgsdorfer Kita Krümelkiste und berieten, wie man sich endlich Gehör verschaffen könne. Skandalös sei die Betreuungslage in ihren Einrichtungen, klagten die ErzieherInnen und Eltern. Viel zu wenig Betreuer müssten sich um viel zu viele Kinder kümmern. Bei ihr hätten sogar schon Großmütter die Spätschicht übernommen, als Erzieher fehlten, berichtete die Oranienburger Kita-Leiterin Ute Günzel.

Was im September im Brandenburger Landkreis Oberhavel begann, hat sich inzwischen zu einer landesweiten "Welle" entwickelt, so Ute Günzel. Die 46-Jährige gehört zu den Initiatoren der weit gefächerten Initiative, mit der aktuell überall in Brandenburg Erzieher, Eltern, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften gegen die miserable Betreuungslage in den märkischen Kitas protestieren.

Mindestens 10.000 Briefe will das Bündnis in den nächsten Wochen an Ministerpräsident Matthias Platzeck schreiben. Und am heutigen Freitag soll mit einem Sternmarsch durch Oranienburg (Oberhavel) für eine deutliche Erhöhung der Erzieherzahlen in den Kitas geworben werden. Als Nächstes könnte eine Volksinitiative folgen.

In der Landespolitik treffen die Protestler durchaus auf offene Ohren. "Die Initiative verweist auf ein reales Problem", räumt SPD-Generalsekretär Klaus Ness ein. Es gebe "viel Sympathie" von seiner Partei für das Anliegen. Allein: Die Forderungen seien zu teuer. "Das würde Kosten bedeuten, die vom Land dauerhaft nicht zu stemmen sind." Auch aus dem Bildungsministerium heißt es: Man sehe den Handlungsbedarf, nur fehle das Geld.

Rund 90 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen besuchen in Brandenburg Kitas - eine der bundesweit höchsten Quoten. Das bedeutet freilich viel Arbeit: Ein Erzieher muss sich im Land um sieben Kleinstkinder kümmern. Bei den Größeren sind es 13 Kinder auf einen Betreuer, so viel wie sonst nirgends. "Bei Krankheit oder Weiterbildung sitze ich schnell mal mit 20, 30 Kindern alleine da", klagt Ute Günzel. An notwendige Bildungsaufgaben sei da nicht mehr zu denken.

Diesen Frust der Erzieher hat inzwischen nicht nur die Linke aufgegriffen, sondern auch die CDU, mitregierender Koalitionspartner der SPD. "Wir stehen hinter der Initiative", so CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski. Man werde sich für den Landeshaushalt 2010 für eine Verbesserung der Kita-Betreuung einsetzen. "Das ist eine Frage der Prioritätensetzung, und die Erzieherzahl wird erhöht, keine Frage."

Als "populistisch" und erstes Getöse vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr bezeichnet SPD-Mann Ness das Einschwenken des Koalitionspartners. "Die Forderungen der Initiative würden eine Verdoppelung der Landesausgaben für die Kitas bedeuten." Die SPD suche stattdessen nach "realistischen Lösungen". Im Bildungsministerium hat man errechnet, dass eine Erhöhung der Betreuerzahl jährlich mindestens 40 Millionen Euro kosten würde. "Die Finanzkrise macht das Handeln hier nicht leichter", bemerkt Ministeriumssprecher Stephan Breiding.

Davon wollen sich die Erzieher und Eltern nicht abschütteln lassen. "Wir trommeln weiter", sagt Ute Günzel bestimmt. Schließlich seien die Proteste inzwischen "reine Notwehr" gegen die prekären Verhältnisse. Vor der Landtagswahl 2009 wolle man sich gebührend Gehör verschaffen. "Und zur Not auch darüber hinaus", bekräftigt Günzel.

KONRAD LITSCHKO

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.