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Kinder vergewaltigt

■ Erstes Urteil in einer Prozeßlawine

Ansbach (AP/taz) – Mit der Verurteilung eines 37jährigen Arbeiters zu achteinhalb Jahren Haft wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern hat gestern im fränkischen Ansbach eine in Deutschland beispiellose Prozeßlawine gegen 20 Angeklagte begonnen. Das Landgericht befand den Hilfsarbeiter für schuldig, 1991 und 1992 fünf kleine Kinder vergewaltigt und neun sexuell mißbraucht zu haben. Die große Strafkammer berücksichtigte bei ihrer Entscheidung ausdrücklich, daß der Angeklagte geständig gewesen sei und den mißhandelten Kindern einen qualvollen Auftritt vor Gericht erspart habe.

„Ich bin im Beruf einiges gewöhnt. Aber was in diesem Prozeß zu lesen ist, hat die kühnsten Vorstellungen überstiegen. Ich habe nicht geglaubt, daß Menschen dazu fähig sind“, sagte der Vorsitzende Richter Peter Heckel bei der Urteilsverkündung in Anspielung auf die noch anstehende Serie an Prozessen, die sich mindestens bis in den April hineinzieht. Das Gericht kam nach nur dreistündiger Verhandlung zu diesem ersten Urteil. Die Staatsanwaltschaft hatte elf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung auf sieben bis neun Jahre plädiert.

Insgesamt wird 15 Männern und fünf Frauen aus Flachslanden bei Ansbach vorgeworfen, zwischen 1990 und Anfang 1993 neun Kinder sexuell mißbraucht und vergewaltigt zu haben. Die Angeklagten – zum Teil miteinander verwandt – sind im Alter zwischen 23 und 79 Jahren. Zu den Hauptverdächtigen zählen die 34jährige Mutter und der 55jährige Vater von drei Kindern. Die Eltern sollen ihre drei kleinen Kinder zum Teil gegen Geld regelrecht „vermietet“ und die sexuellen Mißbrauchshandlungen gefilmt haben. Da die Mehrzahl der Beschuldigten die Taten bestreiten oder die Aussage verweigern, werden die betroffenen Kinder in einigen Verfahren als Zeugen vor Gericht gehört werden müssen. Der Fall flog im Sommer vergangenen Jahres auf, nachdem sich eines der mißbrauchten Kinder einer Lehrerin anvertraut hatte.

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