: Kinder müssen arbeiten
■ Sozialsenatorin stellte Studie vor: Ausmaß der Kinderarbeit in Berlin habe „alarmierendes Ausmaß“ angenommen
Kinderarbeit hat in Berlin nach Einschätzung von Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ein „alarmierendes Ausmaß“ angenommen. Laut einer Studie, die Frau Stahmer vorstellte, geht etwa ein Drittel der 13- bis 17jährigen zeitweilig oder regelmäßig einer Beschäftigung nach. In rund 57 Prozent der Fälle wird dabei gegen das Kinderarbeitsverbot verstoßen. Die erste Untersuchung dieser Art in Berlin beruht auf einer Umfrage unter 3.180 Schülern der 7. bis 10. Klassen aller Schultypen in Hohenschönhausen, Friedrichshain, Pankow, Wedding, Schöneberg und Spandau.
Von den über 1.000 Kindern, die die Frage bejahten, kamen rund 570 aus dem Westteil und 455 aus den östlichen Bezirken. Eingerechnet die 13 Prozent Mädchen und Jungen, die irgendwann einmal gearbeitet haben, machten der Studie zufolge über 45 Prozent bereits Erfahrungen mit der Arbeitswelt. Im Durchschnitt jobben die Mädchen und Jungen vier bis sechs Stunden pro Tag, dabei häufiger Jungen als Mädchen.
Berliner Kinder arbeiten zum größten Teil in den Ferien, aber auch nach der Schule und ein Viertel sogar sonntags. Am häufigsten ist Kinderarbeit in fremden Haushalten, zum Beispiel als Babysitter (27,6 Prozent), beim Verkauf und Verteilen von Zeitungen (23,2 Prozent) sowie im Handel (18,5 Prozent). Als „äußerst bedenklich“ bewertete Frau Stahmer, daß mehr als jeder zehnte Junge auf Baustellen, zum Beispiel bei Abrißarbeiten, beschäftigt wird. Derart körperlich schwere Tätigkeiten seien für Heranwachsende besonders gefährlich. Besonders in diesem Bereich werde das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit (LAFA) deshalb seine Kontrollen verstärken.
Als Durchschnittslohn erhalten Kinder in Berlin laut Untersuchung 10,20 Mark pro Stunde, wobei Mädchen mit 9,59 Mark weniger als Jungen (10,75 Mark) bekommen. Unterschiede gibt es auch in Ost und West. In den östlichen Bezirken werden etwa 86 Prozent des „Schüler-Westlohns“ gezahlt. Das entspricht etwa dem Gehaltsniveau in der Erwachsenenwelt. Vorrangig wird das Geld für den Kauf von Kleidung verwendet. Erst an zweiter Stelle wird es gespart, gefolgt von Ausgaben für Freizeit, Kosmetik, Schulsachen oder das Hobby. Nur zwei Prozent der Kinder gaben an, regelmäßig zum Unterhalt der Familie beizutragen. ADN
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