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„Kinder haben Recht(e)“

betr.: „Kinder als Verteilungsmasse“, taz vom 10. 3. 01

[. . .] 1. Mit der Behauptung, dass die Proksch-Studie belege, dass die gemeinsame Sorge nicht funktioniere, werden die Ergebnisse der Studie auf den Kopf gestellt. Gerade die Proksch-Studie belegt in allen Bereichen, dass Eltern mit gemeinsamer Sorge zu sehr viel konstruktiveren und einvernehmlicheren Lösungen zum Wohle des Kindes kommen als die Eltern mit Alleinsorge. [. . .]

2. Frau Scheffler hält die „häufige Sorge der Väter für unbegründet, die Mütter könnten ihre Kinder gegen die Väter indoktrinieren“. „Die Kinder bilden und revidieren ihr Urteil über die Eltern selbstständig. Keine etwaige Allianz mit einem Elternteil überdauert die Pubertät.“ Eine liebevolle und tragfähige Eltern-Kind-Beziehung entwickelt sich nun gerade mal vor der Pubertät, also in einem Zeitraum, in dem viele der betroffenen Kinder „ihren bösen Papa“ (manchmal auch „ihre böse Mama“) weitgehend oder ausschließlich nur vom Hörensagen kennen.

3. Starre Umgangsregelungen sind etwa vom zehnten bis elften Lebensjahr an nur mehr schwer gegen den Willen der Kinder durchzusetzen, weil Ferien- und Wochenendpläne und Verabredungen mit Freunden ein immer höheres Gewicht bekommen. Insoweit hat Frau Scheffler Recht. Bis zu diesem Alter aber bestimmen Kinder in aller Regel auch sonst nicht autonom über ihre Freizeit. Soweit Eltern es für richtig halten, sind sie sehr wohl bereit und in der Lage, „Weichen“ zum Besten der Kinder zu stellen. Und zum Besten für ein Kind gehört an vorderster Stelle die liebevolle Beziehung zu beiden Eltern und der Umgang mit dem Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt. [. . .]

THEO HECTOR, Königstein/Ts.

„Auch Kinder sollten über ihre familiäre Situation beraten werden, um ihnen Entscheidungen zu ermöglichen.“ Ich stimme mit Gabriele Scheffler überein und weise auf Artikel 5 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hin: „Die Vertragsstaaten achten die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern oder gegebenenfalls, soweit nach Ortsgebrauch vorhanden, der Mitglieder der weiteren Familie oder der Gemeinschaft, des Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen, das Kind bei der Ausübung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen.“

[. . .] Seit vielen Jahren arbeite ich als Bildungsreferent bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken Erftkreis bei Köln. Das Thema Kinderrechte begleitet unseren Verband seit seiner Gründung im Jahre 1904. Die taz-Diskussionen zum Thema Eltern und Scheidung sind in der Regel Elterndiskussionen, bei denen Kinderrechte auf Umgang und Versorgung reduziert werden, was nicht verwundert, da die Auseinandersetzungen vor Gericht auf diese Punkte verdichtet werden. Mit dem Kind als eigenständiges Rechtssubjekt hat dieses wenig zu tun. [. . .]

Die Falken Erftkreis vertreiben seit fünf Jahren ein T-Shirt mit dem Titel „Kinder haben Recht(e)“. Die Reaktionen vieler Erwachsener gleichen den Beiträgen in der taz und den taz-Foren. Sie bringen in der Regel die fehlende Fähigkeit oder Bereitschaft zum Ausdruck, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Hier gilt es, in einer Elternbildungsoffensive anzusetzen. [. . .]

ACHIM BRAUER, Bergheim

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