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Kilo bleibt eben Kilo

■ Die alte Solidargemeinschaft der Flugreisenden am Charter-Counter sollte endlich mal überprüft werden

Einchecken am Airport. Fix und fertig von Stau und Streß, vom Styling und vom Mobbing. Ganz einfach urlaubsreif. Endlich raus, alles vergessen. Last abwerfen, ganz entspannt weg vom Hier und Jetzt. Portugal, Senegal, Arenal, schnurzegal. Abheben, leicht werden.

Doch die Tasche zerrt an der Schulter, und die Schlange ist lang am Charter-Counter. Zentimeter für Zentimeter rucken die Aluboxen, Rucksacktürme und Turbotaschen, die Klappräder und die Fotokisten voran, die Schminkköfferchen, Golfschläger und Stereo-Player, die Videokoffer, Battery-TVs, die Notebooks und die Bibliotheken, die Teddybären, Brettspiele und die Schlummerkissen.

Fünf Uhr morgens, und der Schweiß rinnt über die Backen. Wie bitte? Ob das lebenswichtig ist? Wie soll ich loslassen, wenn das Notwendigste nicht mitfliegt?

Endlich dran. Wie bitte? Übergepäck? Ich soll ohne Pumps nach Porto düsen? Ohne Gitarre nach Hawaii? Mit leeren Händen nach Indien? Wie bitte, ich soll zuzahlen? Da fangen Sie erst mal bei dem da an, bei dem Dicken da.

Ich mit meinen siebzig Kilo Lebendgewicht soll diese hundert Kilo von dem da mitfinanzieren, aber für mein Super- light-Mountainbike soll ich Zuschlag zahlen?! Ich brauche das Teil, wie komme ich sonst sicher durch die Bronx? Also wissen Sie, wenn hier von Solidargemeinschaft die Rede ist, dann fordere ich, daß dieses Schwergewicht da erst mal ganz solidarisch abspeckt. Wenn nicht, dann darf der statt zwanzig höchstens fünf Kilo mitnehmen, meinetwegen auch sechs, aber dann null Kilo Handgepäck. Null Komma null!

Für den verbrauchen wir doch mindestens hundert Liter umweltverpestendes Kerosin mehr als für mich. Ja, und diese Dame neben mir, knappe fünfzig Kilo, sie hat eigentlich auch recht, eine Frau wiegt im Schnitt schlappe zwanzig Kilogramm weniger als ein Mann. Alle nehmen sie immer nur die Dicken in Schutz, aber keiner kämpft für die Dünnen.

Also, wir beide fordern, daß zuerst der Fluggast selbst auf die Waage kommt, dann erst sein Gepäck. Kilo bleibt Kilo, ob lebendig oder tot. Na, ist doch wahr! Uwe Wandrey

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