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Kiezkult soll bleibenSilbersack wird Kulturgut

Nach dem Tod der Betreiberin schloss der "Silbersack" im Mai nach 63 Jahren. Nun wollen Investoren die Kneipe unverändert weiterführen.

Ernas Silbersack: Nichts wird verändert, nur die Dame in der Mitte wird nicht mehr wiederkommen. Bild: Günter Zint

Schriller Dancefloor dröhnt aus der Kneipe „Zum Rettungsring“ in der Silbersackstraße auf St. Pauli. Ein betrunkener Typ sitzt auf dem Zeitungskasten eines benachbarten Kiosks. „Bitte lächeln“, ruft er den Kamerateams entgegen, die sich vor dem „Silbersack“ zum Pressetermin versammelt haben. Andy Grote, Mittes neuer Bezirksamtsleiter, erscheint in der Kneipentür. Bevor er die frohe Botschaft verkündet und ein „Stück Ur-St. Pauli“ für gerettet erklärt, schüttelt er jedem Pressevertreter der Reihe nach die Hand.

Nach dem Tod der 88-jährigen Betreiberin Erna Thomsen musste die Kiezkneipe im Mai nach 63 Jahren schließen. Das rund 240-Quadratmeter große Grundstück hatte Erna Thomsen mit ihrem Mann nach dem Krieg als zerstörte Ruine gekauft und mit einfachen Mitteln eine eingeschossige Flachbau-Kneipe aufgebaut. Durch die rasant steigenden Immobilienpreise auf St. Pauli ist das Grundstück heute ein Filetstück.

Seit Juni war Gerd Thomsen, der Sohn der verstorbenen Silbersackwirtin, auf der Suche nach einem Investor, der sich zum Silbersack bekennt. Kein einfacher Käufer, wie er betont, sondern „ein Liebhaber“, der alles an Ort und Stelle lässt, von den Fußballschalen bis zur Musikbox, sollte es sein. Denn die Kneipe sei die letzte dieser Art in Hamburg.

In die Fußstapfen seiner Mutter zu treten, kam für Thomsen aber nicht in Frage. Nach schwierigen Verhandlungen habe sich nun eine Konstellation gefunden, „die garantiert, dass der Silbersack ganz im Sinne meiner Mutter fortgeführt wird“.

Die Käufer, eine 20-köpfige Gesellschaft von Hamburger Kaufleuten, die sich „Freunde des Silbersack GmbH & Co KG“ nennt, verstehen ihre Übernahme als „kulturelles Investment“. Koinvestoren sind unter anderem Andreas Rehberg aus der Geschäftsführung von Grossmann und Berger, der Bauunternehmer Stefan Wulff, Restaurant-Betreiber Carsten von der Heide und Bauunternehmer und Geschäftsführer des Hotel Hafen Hamburg und Empire Riverside Hotel, Andreas Fraatz.

Ein Teil der Kofinanziers will nicht öffentlich in Erscheinung treten. Über den Kaufpreis, der Gerüchten nach im sechsstelligen Bereich liegen soll, wollen die Investoren keine Auskunft geben. Die Rendite stehe dabei aber nicht im Vordergrund, so Rehberg.

Um den gewohnten Kneipenbetrieb sicherzustellen, haben die Investoren einen Pachtvertrag über zehn Jahre mit dem 27-jährigen Silbersack-Mitarbeiter Dominik Großefeld abgeschlossen, der auch eine Verlängerungsoption erhalte.

Großefeld, der seit zwei Jahren hinter dem Tresen steht, will die Kneipe mit der sechsköpfigen Belegschaft weiterführen. Auch an den Preisen will er nichts ändern.

Das Bezirksamt Mitte ist stolz auf die Lösung. Grote hält den Erhalt für ein „wichtiges Signal“, dass in die Vergangenheit des Stadtteils investiert werde. Seit der Schließung habe es von vielen Seiten Unterstützung gegeben.

Nach achtwöchiger Betriebspause wird die Kneipe am Donnerstag wieder eröffnen.

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3 Kommentare

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  • H
    Höllenhund

    Dank der endlosen Gier sogenannter Investoren, die es geschafft haben aus einem authentischen Bezirk der Hafenarbeiter, Seeleute und Unterschicht einen gesichtslosen Zirkus für feierwütige Kinder aus den Randbezirken zu machen, ist es nur eine Frage der Zeit wann auch dieses Originalrelikt mit seiner angestammten Klientel verschwinden wird.

    Das was Hamburg für Touristen anziehend und berühmt-berüchtigt gemacht hat, nämlich die einzigartige Mischung aus Unterhaltung, Rotlicht, konservierter Seemannsromantik und brachialer Realität, ist für immer weggentrifiziert worden.

    Glas, Stahl, Beton und Yuppieentertainment statt Originalität - mit diesem Konzept hat Hamburg seinen wichtigsten Touristenmagneten selbst zerstört.

    Die Pfeffersäcke, heute mit gegelten Creativfrisuren, coolem Habitus und totaler Amoralität ausgestattet, suhlen sich in der Persiflage von bodenständiger hart arbeitender Arbeiterschaft mit denen sie nichts, aber auch gar ncihts gemeinsam haben.

    Widerliches Blendwerk.

  • WE
    Wer es glaubt ...

    ... wird selig: Das Empire wird sicherlich nach zehn Jahren sagen, ja klar, lass uns die Pacht NICHT erhöhen.

     

    Man, man, man, frau, frau, frau, ...

    • S
      seebär
      @Wer es glaubt ...:

      Selbst wenn es so kommt das sie die miete nicht erhöhen ist es doch fast egal, wenn keiner mehr da ist für den es wert ist den silbersack auf zu lassen. Ich habb den wirt selbst kennenlernen dürfen und live mit erlebt wie er sich "freut" wenn juppy s seinen laden stürmen...gekonnt ignoriert mit kaffeepot und kippe im mund hat er sich abgewatscht und sich weiter mit mir und seinen stammgästen unterhalten. Reich wird er so nicht hab ich ihm gesagt worauf er nur meinte "reixh wird heute mit so einer kneipe keiner mehr,aber morgens in den spiegel gucken zu können ist auch mit geld nicht aufzuwiegen" ich bin jedenfalls gern bereit so eine einstellung mit klamaugik formuliert "solidarischen" bierchen in netter runde zu honnorieren...bis das der letzte seebär gestorben und das alte st.pauli gänzlich verschwunden ist.