Kieler Tatort "Borowski und der vierte Mann": Henning Mankell ist überall
Unbedingt wollte man den Starautor für den "Tatort" haben. Doch Mankells Exposé eines Mordes in feiner Jagdgesellschaft (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) ließ sich nur schwer aufpimpen.
Nimmt das denn kein Ende? Immer wenn man denkt, die ARD sei nun wirklich ausreichend mit Krimis nach, von und angeregt durch Henning Mankell versorgt, finden die Senderverantwortlichen noch einen kleinen Winkel im Programm, in dem sie ein weiteres Ideechen des schwedischen Bestsellerautors versenken können. Nun hat es den Kieler „Tatort“ erwischt, dessen Kommissarsdarsteller Axel Milberg bekennender Mankell-Fan ist und schon seit fünf Jahren davon spricht, den Schriftsteller für die Krimi-Reihe zu gewinnen.
Schließlich hat sich der Hofierte herabgelassen und zwei knappe Exposés für zwei Episoden verfasst – dessen erstes nun von Autor Daniel Nocke und Regisseurin Claudia Garde zu einer richtigen Story entwickelt werden mussten. Nocke („Sie haben Knut“) ist der große Dialogschleifer des deutschen Fernsehens, Garde eine der feinfühligsten Psychothrillerkomponistinnen („Die Frau am Ende der Straße“) – hier aber, was für eine Verschwendung, waren die beiden nun dazu verpflichtet, die knappe Vorlage so auszuformulieren, dass ein echter Mankell dabei herauskommt. Oder was sich die Leute darunter vorstellen.
Vielleicht ja tatsächlich dies: Vor den Toren Kiels trifft sich eine dekadente Jagdgesellschaft (u.a. Susanne Wolff), die sich einen exportierten Bären im Stall hält, um ihn später mit Armbrüsten durch den Wald zu jagen. Vorher aber wird noch ein Schuh samt abgehackten Fuß gefunden – und bald auch noch die Restleiche. Sie gehört dem Anführer der Jagdhorn-Yuppies, unter die sich bald Kommissar Borowski mischt, um mit etwas übertriebener Schulmeisterlichkeit deren moralischen Verfall zu kommentieren.
Doch die eigentlichen Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb der Truppe bleiben in „Borowski und der vierte Mann“ entweder diffus oder werden arg grell herausgestellt. Wenig glaubhaft auch, dass Korrektheitswächter Borowski tagelang den armen, nach Norddeutschland geschmuggelten Bären bei den Tierquälern im Stall lässt, statt ihn entsprechenden Behörden zu übergeben. Und wer sich dann noch darüber wundert, dass hier Polizeipsychologin Frieda Jung gerade erst ihren Abschied genommen hat, obwohl sie in der Folge zuvor schon längst abgetreten war: Es gab halt eine Menge Terminhickhack wegen des Starautors, nicht alles wurde so kommuniziert und koordiniert, wie man das von einer großen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt erwarten würde.
Im Anschluss gibt es übrigens noch einen Krimi, diesmal aus der Reihe „Kommissar Wallander“. Nach der Vorlage von, klar, Henning Mankell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen