Kiel hat eine Ministerpräsidentin

Heide Simonis zur ersten Landeschefin in Deutschland gewählt / Kein U-Boot aus der SPD gefährdete die Wahl / Unverständnis in Schleswig-Holtstein über ihre Kabinettsveränderung  ■ Aus Kiel Kersten Kampe

Zum ersten Mal wird ein Bundesland von einer Frau regiert. Die 49jährige Heide Simonis ist am Mittwoch vom schleswig-holsteinischen Landtag zur neuen Ministerpräsidentin gewählt worden. Sie tritt die Nachfolge von Björn Engholm an, der am 3. Mai aufgrund seiner Lüge vor dem Barschel-Untersuchungsausschuß von 1987 zurückgetreten war.

Die bisherige Finanzministerin erhielt 46 von 88 Stimmen, eine Stimme mehr als die SPD-Fraktion mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag hat. Der Abgeordnete der dänischen Minderheit Karl- Otto Meyer hatte schon vor der Wahl angekündigt, er würde für Heide Simonis stimmen. 41 Abgeordnete stimmten gegen sie, einer enthielt sich.

Doch unter einem glücklichen Stern stand der Wahltag für Heide Simonis nicht. Als klassischen und eklatanten Fehlstart bezeichneten CDU und FDP den Neuanfang an der Kieler Förde. Denn am Abend zuvor hatte Simonis ihre neue Kabinettsliste vorgestellt. Völlig überrascht hatte die Diplom- Volkswirtin Beobachter und Opposition mit ihrem neuen alten Personaltableau. Lediglich auf einen Minister der alten Riege von Björn Engholm hat die Ministerpräsidentin verzichtet. Als fast sicher galt, daß der umstrittene Umweltminister Berndt Heydemann dem neuen Kabinett nicht mehr angehören werde. Doch Heydemann bleibt.

Statt dessen mußte Wirtschaftsminister Uwe Thomas seinen Hut nehmen. Empörung und Unverständnis nicht nur bei Opposition und Wirtschaftsverbänden, sondern auch in den eigenen sozialdemokratischen Reihen. Der bisherige parlamentarische Vertreter des Ministers legte sofort sein Amt nieder. Heide Simonis begründete ihren Schritt mit persönlichen Differenzen, mehr sagte sie zu ihrer Entscheidung nicht.

Der Ex-Minister selbst verhüllte nicht seine Überraschung und ließ es sich auch nicht nehmen, vor Simonis Wahl am Mittwoch eine kleine Retourkutsche zu fahren. Eine Regierung könne nicht so handeln wie ein sparsamer Hausvater, sagte er vor einer Journalistenrunde, die er zum Abschiedskaffee gebeten hatte. „Eiserne Sparkommissarin“ war Heide Simonis als Finanzministerin von Freund und Feind genannt worden.

Auch ihre anderen „Umschichtungen“ waren nicht auf Begeisterung gestoßen. Die Meinung der Opposition reichte von unterdurchschnittlichem Kabinett, Mittelmaß bis zu „kein Kabinett sondern Kabarett“, wie Wolfgang Kubicki (FDP) es spitz formulierte. Nicht ganz einig schienen sich jedoch die Kritiker zu sein, ob es Entscheidungen einer Frau aus dem hohlen Bauch waren, oder Simonis Hand von einem Mann, dem SPD-Fraktionschef Gerd Börnsen, geführt worden war.

Das Ressort Soziales erhielt die SPD-Landtagsabgeordnete Heide Moser. Der bisherige Sozialminister Claus Möller wurde neuer Finanzminister, behält aber vorerst die Abteilungen Energiewirtschaft und Reaktorsicherheit aufgrund seiner Kompetenz.

Abgespeckt wurde neben dem Kultusministerium, das die Bereiche Bildung, Weiterbildung und Sport ans Frauenministerium abgeben mußte, das Umweltministerium. Berndt Heydemann wird künftig nicht mehr Herr über wichtige Abteilungen wie Landesplanung, Ökotechnik und technischen Arbeitsschutz sein. „Der hat jetzt nur die Zuständigkeit für Häschen und Gräschen“, spottete ein SPD- Mitglied.

Dennoch ist man stolz darauf, daß das Land zwischen den Meeren eine Vorreiterrolle in Sachen Frau innehat, auch wenn Heide Simonis einmal von der Opposition „als einziger echter Mann in der Regierung Engholm“ bezeichnet worden ist.