piwik no script img

Kiefernstraße wehrt sich gegen Pressehetze

■ Zeitungen vermitteln völlig falschen Eindruck / KiefernstraßenbewohnerInnen werben um Solidarität gegen Hetze und Abriß / Soziokulturelle Initiativen aus dem alternativen linken Bereich gründen U

Kiefernstraße wehrt sich gegen Pressehetze

Zeitungen vermitteln völlig falschen Eindruck /

KiefernstraßenbewohnerInnen werben um Solidarität gegen

Hetze und Abriß / Soziokulturelle Initiativen aus dem

alternativen linken Bereich gründen Unterstützungsgruppe / Entscheidende Ratssitzung am 5.Juli

Aus Düsseldorf Walter Jacobs

„Wenn man die Zeitung liest, bekommt man eine völlig falsche Vorstellung von der Kiefernstraße. Auf mich machen die Leute hier fast schon einen seriösen Eindruck. Jedenfalls“, so sagt der 68-jährige Paul van Bebber am Montagabend zur taz, „kann ich mich der Forderung nach dem Erhalt der Straße nur anschließen“. Mit van Bebber waren am Montag etwa 500 DüsseldorferInnen ins Kulturzentrum „ZAKK“ gekommen um sich authentisch über die Kiefernstraße und die dort lebenden Menschen zu informieren. Endlich meldeten sich einmal diejenigen öffentlich zu Wort, die seit Monaten im Zentrum einer maßlosen Pressekampagne stehen.

Sieben Jahre schon dauert der Kampf um die Häuser, in denen etwa 1.000 Menschen - davon 200 BesetzerInnen - leben. Jetzt endlich hat die Düsseldorfer Stadtverwaltung angekündigt, der Erhalt der Straße sei inzwischen auch ihr Ziel (siehe auch taz vom 1.Juni 1988).

Am 5.Juli wird der Düsseldorfer Rat über eine entsprechende Verwaltungsvorlage beraten. Während die FDP in einem Antrag mittelfristig den Abriß fordert, will die knapp rot-grüne Mehrheit im Rat den Erhalt der Straße. Die städtische CDU schwenkt zunehmend auf die Vorgaben der Landespartei ein, die mit Ultimaten und Drohungen die Besetzer unter Druck zu setzen versucht. „Über Nacht“, so ein Besetzer am Montagabend, „wurden wir plötzlich zur Terroristenzentrale erklärt“. Stellvertretend für die „Pressehetze“ (Besetzer) wurde die 'FAZ‘ zitiert, die geschrieben hatte, „das Gebiet verluderte zu einer Brutstätte der Gewalt, aus der die RAF und die Revolutionären Zellen immer wieder Nachwuchs rekrutierten“.

Artikel ähnlichen Wortlauts fanden sich nahezu in der gesamten konservativen Presse. Eine Isolations- und Stigmatisierungskampagne, die in Düsseldorf das Sozialforum und andere soziokulturelle Initiativen aus dem alternativen linken Bereich wachrüttelte, hat bewirkt, daß nun in Düsseldorf eine Unterstützungsgruppe von außerhalb für die Kiefernstraße ins Leben gerufen wird.

Die BesetzerInnen selbst sind zu Mietverträgen mit der Stadt bereit, wenn die Stadt durch „glaubhafte Entscheidungen den Willen zum unbefristeten Erhalt der Straße deutlich macht“. „Es müsse jetzt gelingen die beidseitige kritische Distanz zwischen der Kiefernstraße und der „Alternativen Linken“, so sagte es ein Besetzer, „zu überwinden“. „Gemeinsam müssen wir unsere Lebensräume verteidigen. Vielleicht liegt hier unsere einzige Chance“. Ulrike Schwarz, ehemals grüne Ratsabgeordnete, forderte auf, jetzt alles zu tun, um die Ghettoisierung zu durchbrechen und bis zur Ratsentscheidung die eigenen Vorstellungen öffentlich darzustellen.

Ein in jedem Fall schwieriges Unterfangen, denn die örtliche Presse scheint eigene Interessen zu verfolgen. So wirft der Pressesprecher der konservativen im Beamtenbund organisierten „Deutschen Polizeigewerkschaft“, Reiner Wendt, im Hauptberuf Kommissar, der 'Rheinischen Post‘ vor, ihn im Zusammenhang mit der Kiefernstraße mehrfach „falsch zitiert“ zu haben. Nach Angaben der Zeitung hatte Wendt, der, wie er selbst sagt, bei einem Fototermin in der Straße von zwei Personen beschimpft worden sei, und dessen Auto eine kleine Beule abgekommen haben soll, den Vorfall vergeblich bei seine Kollegen von der zuständigen Wache angezeigt. Diese Beschreibung war dann in der letzten Woche - über die 'RP‘ hinaus - erneut genutzt worden, um in Kommentaren den „rechtsfreien Raum“ in der Kiefernstraße zu geißeln. Wendt zur taz: „Ich habe weder eine Anzeige erstattet, noch habe ich um Hilfe gebeten“. Der 'RP‘ habe er inzwischen eine Gegendarstellung geschickt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen