: Khomeini hat das letzte Wort
Verfassungsreform soll Streitfragen klären und Machtvakuum beseitigen / Opponenten Rafsandschani und Mussavi sitzen in der Kommission / Vorschläge müssen vom Ayatollah abgesegnet werden ■ Von Robert Sylvester
Der iranische Revolutionsführer Khomeini hat Anfang der Woche grünes Licht für eine Verfassungsreform gegeben. Damit griff Khomeini entsprechende Vorschläge einer Gruppe von 160 von 261 Parlamentariern sowie des Obersten Justizrates auf. Die Ergebnisse, die eine zu diesem Zweck ins Leben gerufene 20köpfige Kommission binnen zwei Monaten erarbeiten soll, werden Auskunft über das derzeitige Kräfteverhältnis in der iranischen Führung geben.
Einer der Hauptgründe für die Reform war der Rücktritt des designierten Khomeini-Nachfolgers Hussein Ali Montaseri Ende März. Hinter dem Projekt der Verfassungsreform steht die Sorge, die widerstreitenden Fraktionen könnten das Land nach dem Tod des Revolutionsführers ins Chaos stürzen, falls bis dahin die Frage der Nachfolgeschaft nicht geklärt oder eine starke Zentralmacht etabliert ist.
Zu den Befürwortern einer solchen Reform zählt Parlamentspräsident Ali Akbar Hashemi Rafsandschani. Er möchte der nächste Präsident der Islamischen Republik werden, aber nur, wenn dieser Posten im Zuge der Reform entsprechend aufgewertet wird. Ihm schwebt eine Machtkonzentration in den Händen des Staatschefs vor, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Leiter der Exekutive sein soll. Auf diesem Wege, durch die Installierung eines starken Mannes, sollen dann die ideologischen Querelen beendet werden. Die sogenannten Hardliner, die dem Parlamentspräsidenten seine Kontakte zum Westen vorhalten, könnten sich durchaus eine Kandidatur Rafsandschanis für den Posten des Staatschefs vorstellen, sind jedoch gegen eine Verfassungsreform. Sie möchten Rafsandschani vom Posten des einflußreichen Parlamentspräsidenten auf den bislang eher symbolischen des Staatspräsidenten wegloben und bestehen darauf, daß er im Falle seiner Kandidatur auch den Posten des Oberbefehlshabers der Streitkräfte abgibt. Nur so ist die seltsame Konstellation zu erklären, daß auch Radikale die Kandidatur des als gemäßigt und prowestlich geltenden Rafsandschani unterstützen. Nun ist es Sache der Reformkommission, hier Weichenstellungen vorzunehmen. Die Kontrahenten sind mit von der Partie, denn in der Kommission sitzt Rafsandschani beispielsweise neben dem Hardliner und Ministerpräsidenten Mussavi. Auf der Tagesordnung der Gruppe steht neben der Frage der Staatsführung auch eine mögliche Neuzusammensetzung des Parlaments und die Erhöhung der Zahl der Abgeordneten. Durch die neue Verfassung soll außerdem eine Vertretung der drei Gewalten in Rundfunk und Fernsehen gewährleistet werden. Das letzte Wort behält sich jedoch Khomeini vor: Erst wenn er den Vorschlägen der Kommission zugestimmt hat, darf die Bevölkerung in einem Referendum ihr Placet geben.
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