Keshas Prozess gegen Ex-Produzent: Nicht wirklich Post-#metoo

Die Vergewaltigungsklage von US-Sängerin Kesha gegen ihren Exproduzenten ist verjährt. Auch ihren Vertrag mit ihm darf sie nicht auflösen.

Sängerin Kesha steht vor einer roten Wand

Was hat sich durch sieben Monate #MeToo verändert? Im Fall von Kesha leider noch nicht viel Foto: dpa

BERLIN taz | Ganz in Weiß gekleidet steht die US-amerikanische Popsängerin Kesha bei der diesjährigen Grammy-Verleihung auf der Bühne. Umringt von einem Chor beginnt sie zu singen: „'Cause you brought the flames and you put me through hell / I had to learn how to fight for myself“.

Zeilen aus ihrer Klavierballade „Praying“, die im Sommer 2017 veröffentlicht wurde. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich dieses Lied an ihren ehemaligen Produzenten Dr. Luke richtet. Sie beschuldigt ihn der Vergewaltigung sowie der seelischen und körperlichen Misshandlung, während sie beim Kemosabe Records Label unter Vertrag war. Seit 2014 geht sie gegen Dr. Luke vor. Ihre Klage wegen Vergewaltigung kam nie vor Gericht: 2016 wurde sie wegen Verjährung fallengelassen. Dr. Luke streitet alle Vorwürfe ab und reagierte mit einer Gegenklage wegen Verleumdung. Fans und Kolleginnen solidarisieren sich mit der Popsängerin unter dem Hashtag #FreeKesha.

Der Gerichtsprozess startete in einer Zeit vor #MeToo. Obwohl Dr. Luke nicht mehr ihr Produzent ist, ist Kesha durch frühere Geschäftsbedingungen an ihn gebunden. An jedem Lied, das sie veröffentlicht, verdient er mit. Der Songwriterin und Sängerin ist es nicht erlaubt, bei anderen Labels Lieder zu veröffentlichen. Genau das wollte sie mit ihrer aktuellen Klage ändern. Doch das Berufungsgericht in New York lehnte am Dienstag die Ergänzungen zu ihrer Gegenklage ab. Darin schrieb sie: „Man kann sich von einem gewalttätigen Ehepartner trennen. Dieselbe Möglichkeit – sich von den physischen, emotionalen und finanziellen Ketten einer zerstörerischen Beziehung zu lösen – sollte auch einem Musiker gegeben sein.“

Einen Tag nach dem Gerichtsentscheid ist Filmproduzent Harvey Weinstein von einer Grand Jury in New York wegen Vergewaltigung und erzwungenes Oralsex angeklagt worden. Die Vorwürfe entsprechen der Anklage, die die Staatsanwaltschaft am vorigen Freitag vorgebracht hatte, nachdem Weinstein sich freiwillig der Polizei gestellt hatte. Weinstein selbst bestreitet die Vorwürfe.

Keine Spur vom Post-#MeToo-Recht

Bevor Weinsteins Prozess gestartet ist, sprechen jetzt schon viele von einem lang ersehnten Sieg der #MeToo-Bewegung. Ein erster Schritt ist es in jedem Fall. Eine Debatte über sexuellen Missbrauch verändert die Gesellschaft erst dann wirklich, wenn sie nicht nur die kulturelle Sichtweise, sondern auch die Gesetze und Rechtsprechung beeinflusst. In einem aktuellen Artikel bei CNN schreibt Caroline Polisi von einem Turning Point in der Debatte: „Künftige Weinsteins dieser Welt werden Gerechtigkeit in einem Post-#MeToo-Rechtssystem erfahren.“

Von diesem Rechtssystem ist in dem Gerichtsprozess von Kesha und Dr. Luke noch nichts zu spüren. In dem Prozess ging es nicht um die Schuldfeststellung der vorgeworfenen Vergewaltigung, sondern lediglich, um eine vorzeitige Beendung des Geschäftsverhältnisses zwischen Dr. Luke und Kesha. Das offizielle Statement des Gerichts reproduziert weibliche Stereotype. Das Gericht urteilte, dass Keshas Aussage, sie könne mit Dr. Luke im Rücken nicht mehr perfomen, spekulativ sei, weil sie ja in den letzten Jahren Auftritte gehabt habe.

Keshas Glaubwürdigkeit vor Gericht hängt davon ab, wie gut sie zur Opferrolle passt

Damit wird die Sängerin in eine Opferrolle gesteckt. Ihre Glaubwürdigkeit hängt davon ab, wie sehr sie unter einer Vergewaltigung leidet. Hätte sie also aufgehört zu performen und ihre Karriere damit aufgegeben, hätte das Gericht ihre Forderung berücksichtigt? Anstatt Männer zur Verantwortung zu zwingen, werden also die Erwartungen der Frau auferlegt. Und ein Gericht entscheidet, was der richtige Umgang einer Frau mit sexueller Gewalt ist. Nicht wirklich Post-#MeToo.

Keshas Fall verdeutlicht noch einmal, wie schwer es ist, eine junge weibliche Musiker*in im männlich dominierten Musikbusiness zu sein. Und was sich in sieben Monaten #MeToo tatsächlich verändert hat: leider nicht sonderlich viel. Denn zurück bleibt das Gefühl, das Frauen seit jeher plagt: Dass es nichts bringt, gegen sexuelle Gewalt juristisch vorzugehen. Vielleicht wird der Prozess gegen Weinstein in dieser Hinsicht ein Zeichen setzen.

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